Zwischen Fahrrad-Geschäft und Wüsten-Rallyes


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Gerhard Walcher (*1957) und Sohn Markus (*1988) sind ein eingespieltes Team. Sie betreiben in Deizisau, unweit von Esslingen am Neckar, ein großes Fahrradgeschäft, das weit über die Grenzen hinaus bekannt ist. Der Vater hat sich mittlerweile aus dem operativen Geschäft zurückgezogen, nachdem er es gegründet, aufgebaut und jahrzehntelang geführt hatte. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen beiden ist die Liebe zum Cross-Country-Rallyesport.

Rückblick: 1985 trat Gerhard Walcher mit einem BMW-Boxer-Gespann zum ersten Mal zur Rallye Dakar an. In den folgenden vier Jahren wiederholte er dieses große Abenteuer, war inzwischen von den BMW-Boxer-Zweizylindern mit 75 PS zu einer Yamaha mit vier Zylindern und 130 PS gewechselt. Das letzte Gespann war gewissermaßen eine Neukonstruktion und wies zudem eine selbst entwickelte „geschobene“ Vorderrad-Schwinge auf, statt der üblichen „klassischen“ Vorderrad-Gabel mit Stand- und Tauchrohr, was insgesamt der Richtungsstabilität zugute kam. Schon damals zeigten sich das hohe technische Verständnis des Firmengründers und sein Geschick bei Umbauten. Wer Dakar, die Kapitale des Senegal, überhaupt in Wertung erreichte, durfte (und darf noch heute) sich quasi als „Ironman“ im Motorsport fühlen. Für den Patron folgte dann eine längere Auszeit, in der er das Fahrradgeschäft organisatorisch neu interpretierte und „auf breitere Füße“ stellte.

Doch die Motorsport-Liebe ließ sich auf Dauer nicht verdrängen. Inzwischen war Sohn Markus auf die Welt gekommen. Gerhard Walcher tauchte dann im Januar 2005 mit einem Lkw zum Dakar-Start auf. Ein 3,5-Tonner von SCAM war es, mit 170 PS und vom Chef persönlich präpariert. Das Fazit anschließend: „Wir brauchen mehr Leistung“. So baute Vater Walcher mit einer Handvoll technisch begabter Freunde einen Unimog U 500 für den Motorsport auf. Für den nunmehr 6,5-Tonner lagen satte 400 PS an Leistung an.

Markus seinerseits durfte mit nur 16 Jahren erste Rallye-Luft schnuppern, bei Einsätzen in Ungarn und in Spanien. Dakar freilich rief erneut. Und Gerhard Walcher kam mit dem „Race-Mog“, den er persönlich steuerte, an den Start. 2006, 2007 und 2011 standen weitere Teilnahmen an, dann wurde das Rennmobil in 1.000 Stunden harter Arbeitszeit umgebaut zum „Service-Truck“. Währenddessen hatte der Sohn seine Lehre erfolgreich beendet: Quasi artgerecht bei Porsche in Weissach, als Mechatroniker in der Entwicklung und im Fahrversuch. Sein erster eigener Start erfolgte auf dem ehemaligen Geschäftswagen der Walchers, einem Porsche Cayenne, der ebenfalls in Eigenregie für Einsätze bei Offroad-Veranstaltungen vorbereitet und eingesetzt wurde.

Zeitsprung: 2020 war Markus noch mit seinem „Wildcat“ bei der ersten Dakar in Saudi Arabien in Wertung angekommen, dann kauften Vater und Sohn in Südafrika einen Nissan Navara Pickup (von „Red Line“), der mit einem 5,6-Liter-V8-Triebwerk mit 360 PS ordentlich Leistung bot. Erneut wurde mit guten Freunden nun der Allrad-Bolide auf seine künftigen Aufgaben vorbereitet. 2021 standen dann die Baja Polen und die „Rallye du Maroc“ als Testeinsätze für die Dakar 2022 an. Markus hatte einen neuen Copiloten, Vater Gerhard fuhr den Service-Unimog. „Auf den letzten Drücker“ wurde dann noch ein Sponsor gefunden, der die Kosten minderte für diese längste und schwerste Wüstenrallye. Ein 44. Platz im Gesamtklassement der Fahrzeug-Rubrik „Cars“ vor wenigen Wochen darf da als schöner Erfolg gewertet werden, denn es waren immerhin 89 T1- und T2-Fahrzeuge am Start. Das personell kleinste Team, wohl auch das mit dem schmalsten Budget, hatte die berühmteste Wüstenrallye bewältigt.

Die kommenden Einsätze werden bereits geplant. Vater Gerhard als der gute Geist im Team, als versierter und wertvoller Berater, gibt seine Erfahrungen und Dienste an Sohn Markus weiter. Bis die nächste Wüste ruft.

Text Frank Nüssel
Fotos Frank Nüssel, Gerhard Walcher

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