Ein Virus legt die Nordschleife lahm. Heißt: Nichts ging mehr am Nürburgring in Zeiten von Corona. Große Gitter mit festen Schlössern vor den Parkplätzen. Amtliche Bekanntmachungen, Hinweise, Verfügungen, Androhung von Konsequenzen bei Zuwiderhandlungen. Alles zum eigenen und zum Schutz derer, die sich in jedem Jahr am Rand der Strecke tummelten. Als ich Ende Juni nach mehr als dreimonatiger Wartezeit, vorschriftsmäßig desinfiziert ans »Brünnchen« durfte, standen dort die Autos zweier Fotografen und drei Polizeiautos. Ein paar Beamte mit Walkie-Talkies, einer davon mit dem Einsatz einer Drohne beschäftigt. Ein gespenstisches Szenario. Ich drängte am Zaun der menschenleeren Strecke Richtung Wippermann nach oben. Security-Kräfte an der Strecke. Dazu die permanente Lautmalerei des Vogelgezwitschers in eine fast schon lärmende Stille hinein. Ein absolutes Novum in fast 50 Jahren Berichterstattung rund um die »Grüne Hölle«.
Brünnchen, Wippermann … Zwischen 20.000 und 25.000 Zuschauerinnen und Zuschauer an einem einzigen Renntag, das war über Jahrzehnte die Regel. Wer irgendwo unmittelbar neben der Bundesstraße 258, die direkt an der sagenumwobenen Nürburgring-Nordschleife vorbeiführt, sein Fahrzeug zu Rennzeiten parken will, der brauchte Glück genauso wie Geduld. Einweiser und Mitarbeiter des Veranstalters bis zum Anschlag im Arbeitsmodus. Aber auch, wer nur auf der Durchfahrt war, musste sehr aufpassen: Menschenmassen, bewehrt mit Klappstühlen, Stehleitern, Provianttaschen und ähnlichen nützlichen »Überlebens-Utensilien« für einen Tag an der Nordschleife huschten ohne Unterlass von einer Straßenseite auf die andere.
Und als Berichterstatter? In Gummistiefeln halb im Matsch versunken, zwischen Menschenmassen eingekeilt, Kamera und allen möglichen Reporterkram krampfhaft am Körper festgehalten. Zwischen Dornenhecken, verdorrtem Gestrüpp herum gekrabbelt, über vergessene Heringe eines Zweimann-Zeltes gestolpert und darüber geflucht. Nicht selten sah man nach einem Nordschleifen-Einsatz aus, als habe man gerade eine Erlebnistour mit dem Freundeskreis der Old-Shatterhand-Enthusiasten hinter sich gebracht. Aber all das gehörte immer dazu.
Deshalb gebührt all jenen ein großer Dank, die die ersten Schritte zur »Ring-Normalität« ermöglichten, weg von der situationsbedingt völlig leer gefegten Nordschleife. Zu den ersten Schritten gehörte die Wiederaufnahme von Fahrtrainings. Zum AvD-Oldtimer-Grand-Prix am zweiten Augustwochenende, mit Legende Jacky Ickx als Stargast, waren immerhin wieder Zuschauer zugelassen, 5.000 pro Tag – per Online-Reservierung und unter Einhaltung strikter Sicherheitsmaßnahmen. Und doch: All das sind hoffentlich Maßnahmen auf dem Weg zum »Ring«, wie Fans und Veranstalter ihn gleichermaßen kennen wie lieben.
Fotos AvD/Gruppe C, Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG