«Major» Tom Kristensen beim Race Of Champions


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So etwas gelingt nur ganz wenigen in diesem Metier, und man muss schon selbst einer der Großen sein, wenn man von sich behaupten darf: «Ich habe an einem einzigen Tag innerhalb kürzester Frist zwei Formel-1-Weltmeister geschlagen.» Nämlich den amtierenden Champion, den jungen Red-Bull-Überflieger Sebastian Vettel und schließlich den «Master of Masters», den siebenfachen Gewinner der Königsklasse des Motorsports, keinen geringeren als Michael Schumacher nämlich.

Tom Kristensen ROC 11 01

Die beiden Finalisten beim „Race of Champions 2012“ in Düsseldorf, Tom Kristensen (links) und Sebastien Ogier.

Aber der Däne Tom Kristensen ist selbst einer, der von sich behaupten darf: «Hey, seht her, das ist außer mir niemandem gelungen als Motorsportler.» Achtmal hat «Major Tom», wie er von Fans und Kollegen oft scherzhaft genannt wird, das größte Autorennen der Welt, die «24 Stunden von Le Mans» gewonnen. So oft eben wie kein anderer. Und im Dezember vergangenen Jahres heftete sich der aktuelle Audi-Pilot beim «Race of Champions» in Düsseldorf mal noch eben so die «Skalps» der Konkurrenten und Kollegen Vettel und Schumacher an den Gürtel. Nach Siegen gegen die beiden Formel-1-Größen musste er im Finale der hochkarätigen Show-Veranstaltung nur dem französischen VW-Werkspiloten Sébastien Ogier im Finale den Vortritt lassen.

Es gibt wenige wie ihn, die schon seit gefühlten 50 Jahren dabei sind und Können mit so viel Sympathiewerten verbinden wie der gebürtige Däne. Immer ein Profi, immer konzentriert, immer ein potentieller Siegfahrer. Und dabei doch auch immer einer, der nie abgehoben hat, der immer den Kontakt zu den jungen Leuten sucht, die ihr Herz an den Motorsport verloren haben. Und einer, der das Herz auf dem rechten Fleck hat und einen gesunden Schuss Schalk und Übermut versprüht.

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So wie in Düsseldorf beim «ROC», als er mit blitzenden Augen die Geschichte von dem Autogramm Sebastian Vettels erzählte, das Toms Sohn unbedingt haben wollte. Als der ganze Trubel vorbei war, und sich das Show- und Promi-Gehabe endlich etwas gelegt hatte, zeigte «Major Tom» das Bild mit der Unterschrift Vettels für seinen jüngsten Sohn Oswald. «Okay», meinte er Augen zwinkernd. «Ich werde ihm das Autogramm mitbringen. Aber ich werde ihm auch sagen. Hey, Sohn, dein Vater hat ihn geschlagen.» Und dabei strahlte er wie ein Lausbub.

Tom Kristensen ist ein fahrerisches Multitalent. Das hat der Skandinavier bei diesem Jahresabschluss-Event in der überdachten Düsseldorfer Fußball-Arena wieder einmal bewiesen. Egal ob Volkswagen Scirocco, KTM X-Bow, Skoda Fabia Super 2000 oder Audi R8 LMS: Kristensen erwies sich als feinfühliger, sensibler aber auch ungemein forscher und angriffslustiger «Gaspedal-Streichler». Dennoch bekannte er später: «Der Audi R8 LMS hat mir am meisten Spaß gemacht.» Seit 1988 wird unter dem Patronat der früheren Weltklasse-Rallyefahrerin Michèle Mouton der «Beste der Besten» gesucht. Mit von Jahr zu Jahr größerem Aufwand und inzwischen auch einem gigantischen Promi- und Medienspektakel.

Tom Kristensen, diesen Eindruck durfte man als Beobachter dieses Wochenendes haben, wäre aber wohl auch gekommen, wenn die ganze Geschichte ohne Zuschauer über die Bühne gegangen wäre. Einfach, weil er immer wieder diese Gier auf das Beherrschen der Extreme im Auto hat, die ihn offenbar nie loslassen wird. 45 Jahre jung wird er im Juli dieses Jahres und doch kommen langjährige Wegbegleiter seiner Karriere eigentlich nie auf den Gedanken, dass ihm das Auto fahren am Rande der physikalischen Grenzen irgendwann einmal zuviel würde.

Tom Kristensen ?Sportler des Jahrzehnts?

Stolz zeigt Tom Kristensen (Mitte) gemeinsam mit Audi- Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich (rechts) und Audi-Chef Rupert Stadler (links) seine Trophäe.

Nichts spiegelt seinen Charakter und seine Zuverlässigkeit besser wider als jenes Ereignis im vergangenen Jahr, als sein Audi-Kollege Mike Rockenfeller nach einem fürchterlichen Crash in Le Mans für das nächste Rennen in der Deutschen Tourenwagen-Masters (DTM) ausfiel.

Zwei Jahre vorher hatte sich der Däne nach insgesamt vier Siegen aus der DTM verabschiedet, plante, in Zukunft nur noch Langstrecken-Rennen zu fahren. Doch als «Rocky» Rockenfeller wegen des Le-Mans-Unfalls ausfiel, und Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich bei seinem ehemaligen Piloten nachfragte, war es für Tom Kristensen keine Frage, den «Mann für ein Wochenende» zu geben. Er kehrte für dieses eine Rennen am Norisring zurück, machte einen perfekten Job und war darauf wieder ganz der bescheidene Rennfahrer, so wie man ihn kannte. «Ich konnte Audi doch nicht sitzen lassen. Und es klappte ja noch ganz gut.»

Tom Kristensen ist auch Werksfahrer-Kollege des KÜS-Botschafters Timo Bernhard. Beide schätzen sich gegenseitig. Nach einem Dreifach-Triumph von Audi im Jahr 2010 beim größten Langstreckenrennen der Welt, den 24 Stunden von Le Mans, gehörten sowohl der Däne als auch der im pfälzischen Dittweiler lebende Bernhard im vergangenen Jahr zum Aufgebot der Ingolstädter an der Sarthe. Während Timo Bernhard den Audi R18 mit der Startnummer 1 gemeinsam mit Romain Dumas und Mike Rockenfeller pilotierte, bildete Kristensen ein erfahrenes Team mit dem Italiener Dindo Capello und dem Schotten Allan McNish. Audi-Sportleiter Dr. Wolfgang Ullrich weiß, was er an seiner Piloten-Crew hat, zu der auch Bernhard und Kristensen gehören. «Wir haben mit Porsche-Werksfahrer Timo Bernhard, Marcel Fässler, Allan McNish und Tom Kristensen für die Sport-Prototypen eine starke Kernmannschaft, mit der wir sehr gut aufgestellt sind.»

Tom Kristensen und Timo Bernhard sind in der Tat weltweite Botschafter im Zeichen der vier Audi-Ringe. Im Intercontinental Le Mans Cup (ILMC) sind der gebürtige Saarländer und «Major Tom» gemeinsam unterwegs. Sie gehörten auch zum Ingolstädter Aufgebot, das die letzten Rennen der Serie im November 2011 in China mit einem Audi R 18 TDI bestritt. Während Timo Bernhard und der schweizer Marcel Fässler das Rennen als Dritter auf dem Podium beendeten, hatte Kristensen gemeinsam mit McNish Pech und musste das Rennen nach einer unverschuldeten Kollision vorzeitig aufgeben.

Kristensens Kommentar nach dem mit viel Frust verbundenen Aus zeigt die Rennfahrer-Gene dieses Ausnahme-Piloten ganz deutlich. «Es war sehr schade, dass wir da am Heck getroffen wurden und der Lauf dann für uns zu Ende war. Allan und ich waren definitiv schnell genug, um das Rennen gewinnen zu können – und das war ganz klar unser Ziel. Es war ein charakterbildendes Jahr.»

Charakterbildend, ein Wort, das auf diesen ungewöhnlichen Menschen und Rennfahrer passt wie die Mutter auf die Schraube. Denn davon hat er wahrlich genug.

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