«Jochen, schmeiß den Motor an!»


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Wer 80 Jahre und mehr auf dem Buckel, oder besser gesagt, auf dem Asphalt hat, der ist sicher in der Lage, einiges zu erzählen. Spannendes, Spektakuläres, schon Bekanntes, bisher Verborgenes und Ungeahntes. Auf jeden Fall aber Dinge, die beim geneigten Zuhörer die Faszination aus Jahren und Jahrzehnte wieder Revue passieren lassen. Seit dem vergangenen Jahr ist auch der Nürburgring, die knapp 23 Kilometer lange «Grüne Hölle», ein «Achtziger».

24_X_Bild_1 W 196 S      Bei keiner Veranstaltung leben dort Erinnerung und Gegenwart in so perfekter Harmonie wie bei Rennen und Demo-Fahrten, in deren Mittelpunkt der historische Motorsport steht. Einer, der die Klammer zwischen gestern und heute perfekt zu bedienen weiß, ist Ex-Formel-1-Fahrer Jochen Maas, den KÜS magazin bei den Nürburgring Classics traf. Bei diesem alljährlichen Schauspiel, das aber beileibe nicht nur ein bühnenreifes Theaterstück ist, pilotierte Maas ein ganz besonderes Schätzchen aus der Geschichte des Automobilsports. Und dies tat er beileibe nicht nur zum Flanieren.

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Hier, auf dem «Ring», da sind sie irgendwie alle gleich. Alle haben – im übertragenen Sinne – Benzin im Blut. Und auch wenn die einen nur staunend und bewundernd in prickelnder Ehrfurcht neben den mächtigen Boliden stehen, so sind sie doch ein Teil des Geschehens. Des Geschehens, das Jochen Maas, Ex-Formel-1-Fahrer, Rennfahrer-Legende, soeben absolviert hat in einem der prächtigsten Fahrzeuge, das je aus der schwäbischen Motorenschmiede kam. Deshalb auch die unverhohlen geäußerte Aufforderung der Menge: «Hey Jochen, schmeiß noch mal den Motor an und laß die Maschine heulen!»

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Der Mann im weißen Rennoverall mit der großen Aufschrift «Mercedes-Benz Classic Team» kam dieser Bitte nur allzu gerne nach. Und gleich danach schien es, als ob sich Box 35 im alten Fahrerlager des Nürburgrings, vor der der stromlinienförmige Mercedes Benz W 196 aus dem Jahr 1954 von seinem kurzfristigen Einsatz verschnaufte, unter den dröhnenden Folgen eines mittleren Erdbebens in ihre Bestandteile auflösen würde. Das alte Fahrerlager des Nürburgrings gilt als einziges noch im Originalzustand genutztes Renn-Fahrerlager weltweit. Vor der einmaligen Kulisse des Boxen-Karrees versammeln sich an diesem Wochenende die ältesten und schönsten Rennfahrzeuge:

Jochen Maas, deutsche Rennsport-Ikone, der den Silberpfeil an diesem Wochenende bewegen durfte, wusste, was er den Leuten, die sich da fast ehrfürchtig um den Boliden versammelt hatten, schuldig war. Formel 1, DTM, das gibt es mittlerweile ständig via Fernsehen. Das hier aber, das war gelebter und gefühlter Motorsport aus vielen Jahrzehnten. Aus einer Zeit, als Autorennen noch auf der Strecke und nicht in der Box oder am Computer entschieden wurden. Als die «wahren Helden» noch mit ölverschmierten Händen und rußgeschwärztem Gesicht unter der Rennfahrer-Brille nach getaner Arbeit erschöpft aus ihren nur schwer zu bändigenden Rennautos taumelten.

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«Es ist immer wieder atemberaubend, ein solches Fahrzeug zu fahren. Das ist gefühlte unbändige Kraft, mit der Du Dich auseinandersetzen musst. In einem solchen Auto verrichtest Du richtig harte Arbeit, aber Du musst Dich gleichzeitig in das Fahrzeug rein versetzen, hinein horchen in sein Innenleben.» Wenn Maas von seinen Einsätzen im Mercedes-Benz-Classic-Team erzählt, kommt er nicht nur ins Schwärmen, sondern gar ins Philosophieren. «Das ist wie ein Treffen mit Deiner ersten Jugendliebe. Du gehst mit Herzklopfen, mit banger Erwartung hin. Aber bei allen Emotionen darfst Du auch den Sachverstand nicht außen vor lassen.»

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A propos Sachverstand: Was wohl auch nur die eingefleischten «Oldie-Hardcore-Fans» wissen: Außer dem typischen Monoposto mit freistehenden Rädern gab es den W 196 aus den Jahren 1954 und 1955 zunächst auch als voll verkleidete Stromlinienvariante, von der sich der spätere 300 SL ableitete. Neu beim W 196 war auch die Tatsache, dass es sich dabei um einen Benzin-Direkteinspritzer handelte. Diese Technik war vorher fast ausschließlich in Diesel- oder Flugzeugmotoren angewendet worden. Das Aggregat, ein Achtzylinder-Reihenmotor mit Mittelabtrieb, schöpfte aus seinen zweieinhalb Litern Hubraum knappe 260 PS. «Pferdchen», die – so hat man den Eindruck an diesen «Classic-Tagen» – sich einzeln zu Wort melden, wenn die Maschine angeworfen wird. Und damit alle Zuhörer und Zuschauer zu einer unvergleichlichen Zeitreise einladen.

 

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