In memoriam Kommissar Schimanski


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Wenn man 15 ist, fangen die Eltern an, schwierig zu werden. Mein 15. war nur noch Monate entfernt, als zur besten Sendezeit im Fernsehen ein Kommissar debütierte, über den sich damals nicht nur Eltern entrüsteten. 1981: Im Hintergrund die Shangri-Las mit „Leader Of The Pack“, im Bild ein zottelig aussehender Mittvierziger, dessen Wohnung peu à peu sichtbar wurde und Zuschauer zur Sagrotanflasche greifen ließ. Denn was man da sah, würde man später „Messiebude“ nennen. Zwei rohe Eier zum Frühstück – mehr gaben die Vorräte nicht her. Und dann die Sprache dieses Horst Schimanski. Okay, es mochte ja in „Duisburg-Ruhrort“ – so hieß die „Tatort“-Premiere des Neuen – handfest zugehen. Aber musste deshalb jenes Four-Letter-Word, das mit Sch… anfängt, derart inflationär verwendet werden?

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Es musste. Horst Schmimanski (eine maßgeschneiderte Rolle für Götz George) eroberte die Zuschauer am Bildschirm wie im Film die Frauen. Wie sagte die eine im charmantesten französischen Akzent? „Schimanski, je t’aime – Kotzbrocken!“ Weil er war, wie er war. Rau, ungezügelt und dabei, vor Irrtümern keineswegs gefeit, in seinem Beruf doch nicht zu toppen. Ein alter Citroën CX war vielleicht das Wertvollste, was er besaß. In Sachen, denn Schimanskis Grips als Reichtum zählt ja nicht zu den materiellen Werten.

Sein Aufstieg zum beliebtesten Tatort-Kommissar seiner Zeit (und bis heute einem der beliebtesten) – das war doch kein Widerspruch zu seiner Erscheinung. Im Gegenteil: Sich alles leisten, was der Konvention widerspricht, auf jede Regel pfeifen und damit ans Ziel kommen – wie viele erwachsene Männer haben sich wohl mindestens ein Mal gewünscht, wie Horst Schimanski sein zu dürfen? Dem Nachwuchs, dem Schimanskis Lebensstil enorm gefiel, durfte man das ja nicht eingestehen – auch der letzte Rest elterlicher Autorität wäre unwiederbringlich weg gewesen.

Dem Erfolg gingen oft genug auch Irrtümer voraus. Korrektiv war dann lange genug einer, der äußerlich den genauen
Schimmi-Gegenentwurf gab – Thanner, den man sich in jeder Hinsicht auch als Filialleiter einer Sparkasse hätte vorstellen können. Aber hinter dem vermeintlich kreuzbraven Beamten steckte ein vollwertiger (und unentbehrlicher) Berufspartner für das Ruhrpott-Raubein. Als dritter Mann wirkte „Hänschen“ – der freilich mehr im Hintergrund.

Kein Film ohne Soundtrack, und die Schimmi-Tatorte waren bisweilen auch Katalysatoren für Chart-Platzierungen. Joe Cocker etwa landete mit „Now That You’re Gone“ (aus der Folge „Zabou“) einen Hit, Klaus Lage machte mit „Nie wieder Kind“ eine brillante Analyse eines nur zu bekannten Phänomens draus – die Frau, die per Kindchenschema auch den schlimmsten Macho becirct und schließlich beherrscht, auf dass man hoffentlich die Kurve kriegt. (Gibt’s, so viel sei angemerkt, auch in umgekehrten Rollen!). Und auch die Haudegen-Hymne „Faust auf Faust“ ist ein Lage-Oeuvre.

Thanner alias Eberhard Feik ist schon 1994 verstorben. Nach seinem Ausstieg aus der regulären „Tatort“-Reihe ermittelte Schimanski unter eigenem Namen noch weiter. Für seinen Darsteller Götz George wurde der unverwechselbare Kommissar quasi zum alter ego – auch wenn George als Schauspieler ungleich facettenreicher war. Götz George ist am 19. Juni 2016 gestorben. Eine Schocknachricht auch deshalb, weil George sein Privatleben
stets unter Verschluss hielt. Zu Recht, denn auch ein noch so prominenter Künstler ist nicht verpflichtet, Schlagzeilen zu liefern – eher schon dazu, sich zu schützen und seine Kräfte fürs Wesentliche aufzube-
wahren. In der Hinsicht war der Schauspieler seiner berühmtesten Rolle übrigens ganz besonders nah.

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