Allein: Mit der Pädagogik der Siebziger hatte das 1973 krachneue TV-Format für Kinder im Vorschulalter so gar nichts gemeinsam. Waren in den Kindergärten und später in den Klassenzimmern Strenge und Gehorsam angesagt, ging es in der Sesamstraße kunterbunt zu. Das Krümelmonster futterte Kekse in unglaublicher Menge, Oskar residierte in einer Mülltonne, würdevoll wie ein Royal im Palast, Ernie und Bert hielten zusammen wie Pech und Schwefel. Denn Ernies Exzentrik (wir erinnern uns an sein Quietscheentchen) und Berts Bodenständigkeit ergänzten sich vorzüglich.
50 Jahre nach dem Debüt in Deutschland gibt es die Sesamstraße und ihre Bewohner*innen immer noch. Mit anhaltendem Erfolg. Klassiker wie „Hätt ich dich heut erwartet“ haben längst Volksliedcharakter. Kermit schaffte es als Teil des Songs „OK“ 1987 für Wochen an die Chartspitzen und vor allem auf die Tanzflächen. Die Figuren, die seinerzeit die Pädagogik geradezu aufgemischt hatten, gehören längst ganz selbstverständlich zu unserem Alltag. Dass man in all dem kunterbunten Trubel tatsächlich jede Menge Alltagswissen mitnehmen konnte, ja, das geschah quasi nebenbei. Man lernte etwas, ohne so richtig zu merken, dass man was lernte. Spielerisch eben.
Denn der erwähnte Refrain des Titellieds ist tatsächlich nicht zu bestreiten: Wer nicht fragt, bleibt dumm. Und manche, die als Vorschulkinder die ersten Folgen ab 1973 hierzulande sahen, sind selbst in den Schuldienst gegangen. Gut möglich, dass Ernie, Bert & Co. auf diesem Wege den Unterricht in deutschen Klassenzimmern auf lange Sicht beeinflusst haben. Auch eine Art erfolgreicher Revolution. Mit Einschränkungen: Ernies Quietscheentchen wird auch anno 2023 vor der Klassenzimmertür bleiben. Das freilich aus gutem Grund.
Fotos NDR/Sesame Workshop