Im Temporausch (Teil 3)


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Woher kommt das unbändige Verlangen, der „schnellste Mensch der Welt“ zu sein? Welchen Ursprung hat dieser Kult, der die Menschen seit der Frühzeit des Automobils in Atem hält, bis in die Neuzeit? Warum fasziniert es so, wenn Rennpiloten, den Tod im Nacken, ihr Leben aufs Spiel setzen für die wilde Hatz nach dem Geschwindigkeitsrekord, der immer auch von erbitterten Duellen geprägt war? Wimpernschläge der Zeitgeschichte.

Rekordfahrer Henry Segrave

Malcolm Campbell Bluebird Brooklands

Haarsträubende Kopf-an-Kopf-Duelle

Brooklands im Südosten Englands ist die älteste Rennstrecke der Welt. Sie hat bedeutende Rennen und große Fahrer erlebt, aber einer sticht heraus. Malcolm Campbell (1885-1948). Sein alter Holzschuppen, das Fahrerlager, steht noch, heute ist es Teil des Brooklands-Museums. Ab den 1920er Jahren hatte Malcolm Campbell hier, in der Wiege des Motorsports, seine Bluebirds entwickelt, gewaltige Tempomaschinen, wie sie die Welt zuvor noch nicht gesehen hatte.
Hier lieferten sich seinerzeit vor allem zwei Fahrer haarsträubende Kopf-an-Kopf-Duelle: Malcolm Campbell und der in den USA geborene britische Rennpilot Henry Segrave, im Ersten Weltkrieg Kampfpilot der Royal Airforce, wie Campbell ein Draufgänger, besessen von der Tempojagd: Dreimal gelingt es Segrave, Campbell zu schlagen: 1929 schafft er in seinem Sunbeam knapp 380 km/h. Nur ein Jahr später, im März 1930, verunglückt Segrave in Florida beim Versuch, auch auf dem Wasser den Weltrekord zu brechen. Drei Monate darauf stirbt er
an einer Lungenverletzung.

Bluebird CN7 im Motor Museum Beaulieu England.

Malcolm Campbell hatte da bereits den Entschluss gefasst, die magische 300-Meilen-Grenze zu knacken. Im September 1935 fällt sie auch. Als erster Mensch der Welt katapultiert er seinen Bluebird auf mehr als 482 km/h, eine Großtat, die Campbell in den Adelsstand erhebt.
Ende der 50er-Jahre will Donald Campbell (1921-1967), Sohn des berühmten Malcolm, in neue Geschwindigkeitsregionen vorstoßen. In solche, die mit herkömmlichen Kolben- und selbst Flugmotoren nicht zu erzielen sind. Ermöglichen soll es die Bluebird CN7, mit umgerechnet 12 Millionen Mark Entwicklungskosten seinerzeit das teuerste Auto der Welt. Das gewaltige Auto wird von einer Gasturbine angetrieben. 4.250 PS sollen das Fahrzeug auf 700 Kilometer pro Stunde beschleunigen. Über fünf Jahre hinweg war das zielstrebig angeschoben worden, begleitet von Wissenschaftlern. Campbell hatte für die Finanzierung eine Interessengemeinschaft aus 70 Firmen der Flugzeug- und Mineralölbranche zusammengetrommelt. Ein Projekt des britischen Prestiges, mit allen denkbaren Raffinessen.
Im September 1960 findet die Jungfernfahrt der CN7 in Amerika statt.

Sie endet katastrophal

Der Rekordwagen, der vor allem den Amerikanern die britische Überlegenheit vor Augen führen soll, gerät – vermutlich durch einen Windstoß – vom Kurs ab. Die CN7 überschlägt sich bei mehr als 500 km/h. Das teuerste Auto der Welt kehrt als Wrack zurück in die Heimat. Campbell hat großes Glück, kommt mit Schädelbruch und gerissenem Trommelfell davon. Nie zuvor hat ein Mensch einen Unfall bei dieser Geschwindigkeit überlebt.
Vier Jahre später, im Juli 1964, gelingt Campbell dann doch der Rekord, mit einer verbesserten CN7 auf dem australischen Salzsee Lake Eyre: 684 km/h.
Noch im selben Jahr sorgt der tempoverrückte Brite auch auf dem Wasser für Schlagzeilen. Mit seinem Bluebird Speedboot stellt er einen weiteren Weltrekord auf, rast mit mehr als 440 km/h über die spiegelglatte Oberfläche des Lake Dumbleyung in Australien. Zwei Weltrekorde, je einer zu Land und zu Wasser, beide innerhalb eines Jahres:

Das ist nach Donald Campbell nie wieder jemandem gelungen.

Tödlicher Unfall Coniston Water 1967

1967 will Campbell den Speedboot-Weltrekord sogar auf über 500 km/h steigern. Der Versuch findet auf dem Coniston Water im Norden Englands statt. Bei Tempo 527 hebt das Boot plötzlich ab, zwei winzige Wellen hatten genügt. Campbell wird herausgeschleudert und getötet. Das Wrack und die sterblichen Überreste werden erst 34 Jahre später, im Jahre 2001, gefunden.


Mehr Respekt als vor dem Wasserrekord hatte Donald Campbell stets vor dem Landrekord. Wenn er mal getötet werde, dann in einem Auto, aber gewiss nicht in einem Boot, erinnert sich Donalds Neffe Don Wales.

Das Campbell-Shred Brooklands Museum. brooklandsmuseum.com

Fotos Thorsten Link

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