Der Mann, der Schumi unter die Schürze schaut …


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Die Großen der Motorsport-Welt, von den Langstrecken-Spezialisten über die «Künstler des Quertreibens» auf Asphalt, Schotter und Schnee bis hin zu den Champions der Königsklasse in der Formel 1 kennen ihn alle. Genauso wie Hunderte von begeisterten Amateur-Sportlern, die zwischen Slalom-Pylonen umherjagen oder bei kleinen Rundstrecken-Veranstaltungen ihr selbst aufgebautes Fahrzeug an den Start bringen. Seit mehr als drei Jahrzehnten ist der grau melierte, immer freundliche, aber auch genauso konsequente Moselaner als Technischer Kommissar unverzichtbarer Bestandteil der Motorsport-Szene. Ohne das «Okay» des Kfz-Meisters Rudi Bollig aus dem kleinen Moselörtchen Maring-Noviand gibt es keine Startgenehmigung.

Rudi Bollig Arbeit 005

Weder für den noch reichlich nervösen Anfänger auf seiner ersten nationalen 200er-Rallye noch für Rekordchampion Sébastien Loeb, Truck-Ikone Antonio Albacete oder Formel-1-Überflieger Michael Schumacher. Erst wenn Rudi Bollig den Daumen nach oben reckt, bedeutet das: «Freigabe». Der 58-Jährige ist einer der wenigen technischen Kommissare im Motorsport-Bereich, die die sogenannte A-Lizenz haben. Als deren Obmann darf der ehemalige Motorsportler begutachten und für richtig befinden, ob die Richtlinien des Weltmotorsportverbandes bei dem zu untersuchenden Fahrzeug eingehalten wurden.

«Irgendwann hab‘ ich einfach die Seiten gewechselt. Ich bin aus dem Cockpit ausgestiegen, um meine Liebe zum Motorsport auf andere Weise auszuleben.» Rudi Bollig ist einer von der Sorte, die Benzin quasi mit der Muttermilch aufgesogen haben. Als junger Mann hatte ihn die Liebe zum Bergrennsport gepackt. Auf seinem Scirocco und einem Golf GTI fuhr er auf der Rundstrecke und bestritt Rennen zur Deutschen Bergmeisterschaft. Die Kurse am «Thommer Berg» bei Trier, am Schauinsland bei Freiburg, oder auf dem Oberjoch im Allgäu kannte er bis zum kleinsten Kieselstein. Aber den Technikfreak packte bald ein Motorsport-Fieber der anderen Art. «Ich sehe das als eine Art Bestimmung an», sagt Bollig, der seit drei Jahrzehnten darüber wacht, dass die Einsatzfahrzeuge dem Reglement entsprechen.

Als Obmann der technischen Kommissare des Deutschen Motorsportbundes (DMSB) hat sein Wort auf den internationalen Rennstrecken Gewicht. «Meine Ausbildung habe ich gemeinsam mit Jo Bauer gemacht», erzählt Bollig. Joachim, genannt Jo, Bauer ist technischer Delegierter der FIA und damit einer der ganz Wenigen, vor dem die ganze Formel-1-Welt zittert. Mehr noch mitunter als vor «Mister Formel 1» Bernie Ecclestone. Bauer entscheidet über Wohl und Wehe eines jeden Formel-Fahrzeugs. Gemeinsam mit dem Diplom-Ingenieur Bauer, einem gebürtigen Saarländer, hat Bollig sein «technisches Gewissen» immer geschult und aufgefrischt.

Etwa 20 der 30 Tage Urlaub, die der Kfz-Meister bei einem Autohaus (VW und andere Konzernmarken) im romantischen Moselstädtchen Bernkastel-Kues erhält, gehen pro Jahr für sein Hobby, den Motorsport, drauf. Es ist nicht damit getan, neue Bestimmungen zu lesen, sich mit Regel-Updates zu beschäftigen oder den Kontakt mit Kollegen aufrechtzuerhalten. Bollig kümmert sich auch um den Nachwuchs, bildet junge Menschen mit technischem Verständnis und viel Hingabe zum Motorsport aus. «Es ist wichtig, dass wir uns kompetenten Nachwuchs ranziehen. Junge Leute, denen es ein Bedürfnis ist, ihre Leidenschaft für den Motorsport einzubringen und diese verantwortungsvolle Tätigkeit korrekt auszuüben. Vor allem in puncto Sicherheit können wir uns auch nicht die kleinste Schlamperei erlauben», schildert der TK-Supervisor, worum es in erster Linie geht in diesem Amt.

Rallye Sardinien 015 Bollig und Loeb

Rallye Sardinien – Bollig und Loeb

Der Kalender für die Saison 2011 ist schon voll gestopft mit Terminen. Fast jedes Wochenende ist schon verplant. Und immer wieder sind es andere Fahrzeuge, andere hoch gezüchtete Renner mit einem oft völlig verschiedenen Anforderungsprofil, die Bollig mit seinem Team unter die Lupe nehmen muss. Sein Betätigungsfeld ist riesig. Die Deutschland-Rallye, seit mittlerweile fast einem Jahrzehnt fester Bestandteil der Weltmeisterschaft, hat er mit einer einzigen Ausnahme seit deren «Kinderschuhen» im Jahr 1981 begleitet.

Internationale Langstrecken-Ereignisse gehörten genauso dazu wie die Europa-Bergmeisterschaft (EBM), die schwergewichtigen PS-Riesen aus der Truck-Europameisterschaft oder die Formel-1-Boliden. Ein Höhepunkt ist für ihn jedes Mal auch das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring: «Einfach, weil das eine unvergleichliche Atmosphäre tagsüber und nachts ist. Nirgendwo sonst messen sich auch absolute Topstars mit jungen Nachwuchsleuten oder blutigen Amateuren, die sich das Rennen in der ‚Grünen Hölle‘ regelrecht abgespart haben.»

Bei der Inspektion durch Bollig und seine Mitarbeiter kam und kommt es in all den Jahren auch immer wieder zu PS-Talkrunden und Fachsimpeleien mit den Stars der Szene.

«Es ist dann egal, ob der Mann, der auf sein Auto wartet,Schumacher oder Heidfeld oder Frentzen heißt. Wir machen unsere Arbeit gewissenhaft.

Das schließt nicht aus, dass man aucheinmal ein Wort miteinander wechselt, aber das darf nicht zu falsch verstandener Kumpanei führen», sieht Bollig aber auch die möglichen Gefahrenseiten seines exponierten «Urlaubs-Berufs».

Er schildert bis ins kleinste Detail, worauf er und seine Leute achten müssen. «An vorderster Stelle steht die Sicherheit der Fahrer. Wir kontrollieren den Zustand des Fahrzeug-Käfigs, des Tanks, der Löschanzüge des Boxenpersonals, der Bekleidung von Fahrern und Serviceleuten am Auto.» Darüber hinaus muss aber auch darauf geachtet werden, ob die Homologation stimmt. Das bedeutet im Klartext, die «Tekos» (Technischen Kommissare) müssen über-prüfen, ob die Kriterien der Zulassung als Einsatzfahrzeug für den jeweiligen Wettbewerb erfüllt sind.

Berührungsängste mit den «Herren Werksfahrern», mit Le-Mans-Siegern, Rekord-champions oder Weltmeistern der verschiedensten Serien darf der Kfz-Meister von der Mosel in dieser Funktion nicht haben. Womit er aber auch kein Problem hat.

«Den Ford Focus WRC von Mikko Hirvonen haben wir bei der Deutschland-Rallye mal bis zur kleinsten Schraube auseinandergenommen, weil etwas unklar war. Da gibt es kein Vertun.» Auf diesem Gebiet ist Bollig genauso Profi, wie es die Piloten hinter dem Lenkrad sind. «Die verlassen sich ja schließlich auch auf uns, ob ihre Fahrzeuge wirklich sicher sind.»

Trotz des großen zeitlichen Aufwands steht für Rudi Bollig fest: «Ich würde diese Aufgabe wieder übernehmen, wenn ich vor der Wahl stünde. Es ist einfach faszinierend und verantwortungsvoll zugleich.»

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