Der Lügenbaron wird 300 Jahre alt


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Neulich habe ich fliegende Autos gesehen. Sie glänzten silbern, hupten laut und mussten ständig quirligen Drohnen mit Paketen ausweichen. Sie glauben mir nicht? Wenn nicht wahr, dann aber gut erzählt – so hoffe ich. Unwahrscheinlicher, als sich selbst samt Pferd am Schopf aus dem Sumpf zu ziehen, klänge meine Darstellung für unsere Vorfahren wohl kaum. Denn diese lauschten mit Vergnügen den Lügengeschichten des Baron von Münchhausen, wenn sie auch wussten, dass sie nur erfunden waren. Amüsant und kurzweilig waren sie auf jeden Fall. Wenn wir in diesem Jahr an Münchhausens Geburt vor 300 Jahren erinnern, sei ein kurzer Blick auf sein Leben erlaubt.

Zweifellos – Münchhausen war ein Mann der Tat und der Inspiration. Was heißt da »Lügenbaron«! Schließlich muss einem erstmal einfallen, den anderen so fantasiereich und spannend das Erlebte zu berichten. Während andere sich einen Namen machten, indem sie auf Schlachtfeldern siegten, blieb er als begnadeter Erzähler seines eigenen Lebens in Erinnerung. Und was für ein Leben mag das gewesen sein. Von Münchhausen war ein deutscher Adliger, dem zahlreiche populäre Lügengeschichten aus seiner Militärzeit wie der Ritt auf einer Kanonenkugel und ein Flug zum Mond zugeschrieben werden. Wen wundert es da, dass sein Leben ganz anders verlief, als man es nach dem Lesen seiner Geschichten oder dem, was der unvergessene Hans Albers in der Rolle des Münchhausen im Film legendär werden ließ.
Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen wurde am 11. Mai 1720 im niedersächsischen Bodenwerder geboren. Ein idyllischer Ort im Weserbergland, das die Zeit seiner wirtschaftlichen und kulturellen Blüte bis heute auf malerische Weise bewahren konnte und somit zahlreiche Kulturtouristen anzieht. Heute trägt die Stadt den Beinamen Münchhausenstadt und präsentiert in einem einstigen Wohnturm, der Schulenburg, ein Münchhausenmuseum.
Wie es sein Stand gebot, diente Münchhausen im Militär, sodass er die Schlachtfelder Europas kennen lernte und gewiss in den Kampfpausen so manche Anekdote zu erzählen wusste. Langweilig war es sicher nicht. Nachdem seine Militärkariere nicht recht voranging, zog es ihn zurück an die Weser, wo er als Landedelmann sein Gut verwaltete. Gerne ging der Herr Baron auf die Jagd und unterhielt seine Gäste mit lebhaft erzählten Erlebnissen seines Lebens – bis jemand die ersten Erzählungen aufschrieb und veröffentlichte, womit der Ruhm des Lügenbarons sich über die literarische Welt verbreitete. Ganz in der Tradition antiker Lügen- und mittelalterlicher Abenteuergeschichten stehend, erfreuten sich die Leser an diesen Münchhausiaden.
Währenddessen andere mit der Veröffentlichung seiner Geschichten Geld verdienten, verstrickte sich der Baron in eine unerfreuliche Scheidung, verlor viel Geld und konnte sich über den Ruf, ein Lügenbaron zu sein, ganz und gar nicht freuen.
Waren diese Übertreibungen nicht lächerlich? Er starb in Bodenwerder mit 76 Jahren am 22. Februar 1797. Seine Geschichten, farbenreich schillernd, unterhaltsam und auch für den damaligen Leser nicht als Realität missverstanden, ließen ihn unsterblich werden.
Wie hoch geschätzt Freiherr von Münchhausen bis heute ist, zeigt die anlässlich seines Geburtstages erschienene 20-Euro-Silbermünze 2020. Nach der Münze »100 Jahre Reichsverfassung« (2019) ist sie die zweite Farbmünze Deutschlands. Die Künstler, die sich am Münzwettbewerb zur Gestaltung der Münze beteiligten, konnten das Thema aus fünf Lügengeschichten des Barons wählen. Umso erstaunlicher ist, dass alle Preisträger sich für die Geschichte entschieden, die vom bereits erwählten Schauspieler Hans Albers einst so fabelhaft in Szene gesetzt wurde: der Ritt auf der Kanonenkugel. Dabei ließ sich der Baron, um eine belagerte Stadt zu erkunden, auf einer Kanonenkugel über die Stadt hinwegschießen. Nachdem er so die feindlichen Stellungen inspiziert hatte, stieg er auf eine in die Gegenrichtung fliegende Kugel um, damit der nicht in die Hände des Feindes geriet, und kehrte gesund und munter ins eigene Feldlager zurück. Was für ein Abenteuer!
Das würdigt auch die Randschrift der Münze, die ein Zitat von Gottfried August Bürger aus dem Buch „Münchhausen“ ist: „Mit Tapferkeit und Gegenwart des Geistes“.

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