Andreas Gabalier. Einer, der polarisiert


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Volksmusik: Für mich, Jahrgang 1966, in der Schulzeit bis weit in die Ausbildungsjahre hinein ein NoGo. Das Wort allein hatte was von Altherrengedöns, und die Musik des Genres klang schon vor dem Hintergrund der Bezeichnung genauso. Naja, Hannes Wader hatte schon in den Siebzigern gezeigt, dass das auch anders funktioniert, trotzdem: Cool war nur Rock in allen Spielarten, und weitgehend galt, was der kürzlich verstorbene Hamburger Songwriter Wolfgang Michels im Interview mit KÜS magazin gesagt hatte: Wer cool und lässig sein wollte als Musiker, sang in Englisch. Gerne berief sich Wolfgang im Gespräch dabei auf John Lennon, die Beatles und die Rolling Stones.

Heute, 2018, fühlt man sich an die Beatles und die Rolling Stones erinnert, guckt man bei einem Konzert von Andreas Gabalier ins Publikum: Da wird mitgesungen, geklatscht, die gesprochenen Überleitungen zwischen den Liedern produzieren Lacher. Und was da aus dem Publikum so alles auf die Bühne fliegt, um der Begeisterung noch mehr Nachdruck zu verleihen, stellen wir uns lieber nicht vor. Altherrengedöns? Nee, der Kerl begeistert generations- und geschlechterübergreifend. Ungewöhnlich dabei; Andreas Gabalier gehört zu den Vertretern der „Neuen Volksmusik“ wie auch Hubert von Goisern und Attwenger. „Volks Rock’n’Roller“ nennt er sich, und das ist mittlerweile eine Marke. Auch sein jüngstes Album „Vergiss mein nicht“ hat er teilweise in Nashville eingespielt, und das Gros der Lieder wird dem Rock’n’Roll in der Tat gerecht. Aber die Vorsilbe, was hat es mit der auf sich? Klar: Mit ihr rückt jemand schon automatisch verschärft ins Blickfeld von Kritikern. Das Image vom Altherrengedöns wirkt im Image der Volksmusik eben doch noch nach, und der Argwohn gegenüber möglichen politisch rechtslastigen Subtexten scheint allgegenwärtig. Dass die Volksmusik als solche auch Spaß machen kann, gerät da gerne mal in den Hintergrund.

Aber genau dagegen wehrt sich Andreas Gabalier – auf der Bühne, in Interviews, nicht schreiend laut, aber mit Nachdruck. Er ist authentisch, glaubhaft, geht auch mit Schicksalsschlägen offen um. Und wenn er live darum bittet, nach „Amoi seng ma uns wieder“ möge man bitte nicht klatschen, dann wirkt der 33-Jährige mit dem charakteristisch-verschmitzten Lachen ganz unmissverständlich ernst und unerbittlich. Und wird respektiert, bis in die letzte Reihe im Konzertsaal. 

„Vergiss mein nicht“ – dass es ihm so geht, muss er wahrhaftig nicht befürchten. Auch seine Positionen werden weiter aufmerksam verfolgt, wie vor einigen Monaten: Eine launige Bemerkung zum Thema „Gendering“ – schon folgen die publizistischen (Über)interpretationen. Aber ehrlich: Man muss kein Reaktionär sein, um das inflationär verwendete Binnen-I und die geglaubte Pflicht zur korrekten geschlechtsneutralen Bezeichnung von diesem und jenem einfach mal genervt zu fühlen. Und was ist Rock’n’Roll schon anderes als Haltung und die Kunst, auch mal bewusst anzuecken? Polarisieren gehört dazu. Das muss längst nicht mehr nur auf Englisch sein, die Sparte „Deutschrock“ ist mit vielen Vertretern etabliert. Daran hat übrigens Wolfgang Michels großen Anteil, der große Erfolge eben auch in der Muttersprache hatte.Fotos Sepp Pail

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