Winterreifen 2013: Eine Kaufberatung


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Wie Tests, Fahrpraxis und das Unfallgeschehen beweisen, gilt beim Reifenkauf immer: Die Besten sind gerade gut genug. Eine Erkenntnis, die sich insbesondere bei Glätte und Kälte bewahrheitet.

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Eigentlich sollte die Diskussion über die Notwendigkeit von Winterreifen längst der Vergangenheit angehören. Tatsächlich besteht seit Jahren per Gesetz eine „situative Winterreifenpflicht“, das heißt: Bei glatten Straßen sind Winterreifen vorgeschrieben. Dabei verlangt der Gesetzgeber für Winterspezialisten die bekannte Bezeichnung M+S auf der Reifenflanke, was nicht sonderlich sinnvoll ist. Dieses Kürzel nämlich unterliegt keinerlei Prüfung und besagt deshalb absolut nichts über die Wintertauglichkeit, es ist bisweilen gar an ausgesprochenen Sommerreifen zu finden. Viel wichtiger, weil mit einem Wintertest verbunden, ist das Zeichen der Schneeflocke (siehe Grafik). Bei Reifen ohne dieses Symbol sollte man keinesfalls zugreifen, egal was sonst noch versprochen wird. Die Situation heute: Wer auf Reifglätte, Schnee und Eis mit Sommerreifen angetroffen wird, gar den Verkehr behindert oder einen Unfall baut, muss mit saftigen Bußgeldern, Punkten in Flensburg und Ärger mit der Versicherung rechnen. So weit sollte man es nicht kommen lassen, denn schon die Vernunft gebietet, im Oktober vor dem ersten Schnee Winterreifen zu montieren. Daran halten sich nach Feststellungen der KÜS rund 88 Prozent aller Autofahrer in Deutschland, lobenswert. Aber, was machen die restlichen 12 Prozent, das Auto stilllegen im Winter? Es ist nun mal eine erwiesene Tatsache, dass das Unfallrisiko im Winter um das Sechsfache steigt. Die wichtigste Maßnahme, um einen sicheren Fahrbetrieb zu gewährleisten, sind deshalb in dieser Zeit möglichst wirksame Winterspezialisten. Das gilt übrigens auch für alle allradgetriebenen Fahrzeuge, selbst SUV mit Geländereifen. Das Anfahren ohne Winterpneus mag noch leidlich gelingen, aber es fehlt die Seitenführung in Kurven, vor allem aber die dringend erforderliche Bremsverzögerung. Vorhandene Winterreifen sollten vor dem Montieren sorgfältig untersucht werden. Wie viel Restprofil ist vorhanden, gibt es Schäden am Laufstreifen oder der Seitenwand, wie alt sind sie eigentlich? Feststellen lässt sich das an der DOT-Kennzeichnung (meist nur auf einer Reifenseite), die am Ende eine vierstellige Zahl enthält, etwa 2107. Soll heißen, der Reifen wurde in der 21. Woche 2007 gefertigt. Er wäre damit sechs Jahre alt und sollte möglichst beim Reifenhändler entsorgt werden, gleichgültig welche Restprofiltiefe noch vorhanden ist. Grund: Der Reifen ist (meist unsichtbar) deutlich gealtert, die Gummimischungen werden spröde, hart und rissig. Eine Verhärtung aber mindert die Wirksamkeit auf Schnee und Defekte werden mit zunehmendem Alter immer wahrscheinlicher.

Eine Messung der Profiltiefe bei gebrauchten Winterreifen gilt den großen Hauptrillen. Sind sie bis zu vier Millimeter abgefahren, sollte Schluss mit dem Winterbetrieb sein. Die Grenze von vier Millimetern ist bei Winterspezialisten keineswegs willkürlich gewählt, sondern wird von allen Fachleuten aufgrund zahlreicher Testergebnisse empfohlen (der Gesetzgeber lässt 1,6 Millimeter zu, ein bei Winterreifen völlig absurder Wert). Mit abnehmender Profiltiefe verlieren alle Reifenkategorien an Wirksamkeit, besonders drastisch fällt dieser Effekt aber beim Winterpneu aus. Auf Nässe verliert er früher den Bodenkontakt (Aquaplaning). Bei Schnee gelingt die Traktion und damit das Anfahren immer weniger, die Bremswege aber werden dramatisch länger. Das liegt auch daran, dass das wesentliche Konstruktionsmerkmal von Winterspezialisten, die Lamellen, häufig nur bis vier Millimeter Restprofiltiefe hinunterreichen. Lamellen sind zahlreiche Längs- und Quereinschnitte im Profil, meist in Zickzackform. Sie vor allem sorgen in Verbindung mit der kältefreundlichen Gummimischung für Halt auf Glätte. Wenn die Lamellen unwirksam sind, hat man im Winter ganz schlechte Karten.

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Beim Kauf von Winterreifen sollte man in der Vorauswahl auch das neue EU-Label für Reifenqualität durchaus zu Rate ziehen. Es muss bei jedem Reifen vorhanden sein und gibt Auskunft über drei Eigenschaften: Bremsqualität bei Nässe, Rollwiderstand und damit Verbrauchseinfluss des Reifens, sowie das Geräuschverhalten. Eine Beurteilung der eigentlichen Wintereigenschaften wird leider nicht geliefert. Beim Bremsen und zum Rollwiderstand ist eine Klassifizierung von A bis G vorhanden, Bestwert ist jeweils die A-Kategorie. Ein Produkt, das in beiden Kriterien ein A aufweist, fehlt bislang auf dem Winterreifensektor. Das liegt nicht an der Unfähigkeit der Reifenhersteller, sondern am komplexen und immens schwierigen Umfang der Anforderungen, die ein Winterspezialist aufweist. Die Besten können jeweils mit einem B oder C aufwarten. Ein Winter in Mitteleuropa besteht aus einer hohen Anzahl von Regentagen, so erhalten die Nässeeigenschaften auch bei Winterreifen einen hohen Stellenwert. Es sollte hier also möglichst an A oder B sein, dafür darf der Rollwiderstand eine Kategorie nach hinten rutschen. Zwischen der Klasse B und E beispielsweise verlängert sich der Bremsweg um rund 10 Meter, das ist im Interesse der Fahrsicherheit ein Horrorwert. Dies insbesondere angesichts der niedrigen Ausgangsgeschwindigkeit der Messungen von 80 km/h, bei höherem Tempo verlängern sich Bremswege drastisch. Die Verbrauchszunahme zwischen B und E dagegen liegt bei 0,26 Liter/100 km. Was ist wichtiger: Ein erheblich kürzerer Bremsweg oder ein Viertelliter Verbrauchseinsparung? Weit bessere Beurteilungen von Winterreifen als das EU-Label übrigens liefern die einschlägigen Testergebnisse der Automobilclubs beispielsweise, weil mehr Eigenschaften geprüft werden, unter anderem eben die Reifenleistung auf Schnee und Eis. Grundsätzlich aber gilt aufgrund der höchst unterschiedlichen und problematischen Fahrbahnverhältnisse im Winterbetrieb: Nur die Besten sind gut genug. Billigprodukte sind eine glatte Fehlinvestition.

Wie die KÜS jedes Jahr bei den obligatorischen Hauptuntersuchungen feststellt, werden Reifen von den Autofahrern häufig sträflich vernachlässigt. Gestützt wird diese Erkenntnis von anderen Untersuchungen. Bridgestone etwa prüfte 2012 mehr als 28.000 Fahrzeuge und entdeckte dabei erschreckende Zustände. Analog zu den KÜS-Meldungen über zu geringe Profiltiefen, waren laut Bridgestone ein Viertel der Autos mit abgefahrenen Reifen (unter 1,6 mm) und 78 Prozent der untersuchten Fahrzeuge mit zu geringem Reifenfülldruck unterwegs. Der Fülldruck beeinflusst den Rollwiderstand (je geringer, desto mehr Verbrauch), die Reifenlebensdauer und die Fahrsicherheit. Mindestens einmal im Monat sollte der korrekte Reifenluftdruck eingestellt werden, der meist in der Betriebsanleitung am Türholm oder an der Tankklappe zu finden ist.

Per Internet bietet Continental eine Fülldruck-Tabelle für rund 700 aktuelle Modelle unter: www.continental-reifen.de in der Rubrik „Downloads – Technische Informationen“ an.

Die seit Jahren zunehmend angebotenen Reifendruck-Kontrollsysteme (RDKS) im Auto machen zwar die Druckprüfung an der Tankstelle nicht ganz überflüssig, aber bei deutlichem Druckverlust erhält der Fahrer eine Warnmeldung. Bei den sehr genauen direkt messenden Systemen sind die Reifenventile jeweils mit einem Sensor verbunden. Mitunter werden Winterreifen ohne diese speziellen Ventile gefahren, um deren Anschaffung einzusparen. Damit wird das RDKS natürlich stillgelegt, die Fahrsicherheit gegenüber dem Sommerbetrieb ist eingeschränkt.

Das aber verbietet eine EU-Verordnung definitiv an Fahrzeugen, die ab Werk über RDKS verfügen. Ab November 2014 übrigens haben alle Neuwagen eine elektronische Reifendruckkontrolle an Bord. Neue Winterräder sollten unbedingt ausgewuchtet werden, für gebrauchte Räder ist es empfehlenswert. Damit lassen sich unangenehme Vibrationen vermeiden und Radaufhängungen sowie Stoßdämpfer werden geschont.

Winterreifen gibt es von den namhaften Herstellern in jeder Ausführung und für alle Anforderungen. Vom Sonderfall für Elektrofahrzeuge (Conti eContact Winter) über die Mittelklasselimousine (Bridgestone Blizzak LM-32s) bis zum schnellen Ultra-High-Performance-Reifen für Sportwagen in üppiger Breite und bis 300 km/h zugelassen (Vredestein Wintrac Xtreme S) reicht das Angebot. Vom Klein- und Kompaktwagen (der Toyo Snowprox S943 und der Firestone Winterhawk 3) bis zum schweren SUV (Nokian WR SUV 3) geht die verfügbare Palette. Auch für Transporter (Bridgestone Blizzak W 810) und große Nutzfahrzeuge stehen Winterreifen zur Verfügung, die immer wieder erneuert und konstruktiv verbessert werden. Ein heute präsentierter Pkw-Winterreifen ist mindestens doppelt so wirksam, wie das vergleichbare Produkt vor 10 Jahren.

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