Oldtimer – nicht nur für »Oldtimer«


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Früher Herbst in einem kleinen Ort im westlichen Hunsrück. Ganz in der Nähe des Erbeskopfes, mit 816 Metern die höchste Erhebung in Rheinland-Pfalz. Der örtliche Motorsportclub hat, wie schon seit rund eineinhalb Jahrzehnten zu seinem »Old- und Youngtimer-Treffen« eingeladen. „Markenoffen. Wir wollen kein elitärer Club sein. Die Liebe zu alten Autos soll und darf nicht für bestimmte Schichten vorbehalten bleiben. Alle können kommen, die die Altersvoraussetzungen erfüllen und sich mit unseren Idealen identifizieren“, sagt Gregor Großmann, der Vorsitzende.

Und so ist es dann auch: Käfer, Kadetts, Alfa Suds, Capris, ein Audi 80 begegnen sich auf einer großen Wiese am Rande des 5.000-Seelen-Ortes Thalfang. Und jede Menge tolle vierrädrige Geschöpfe mit US-Vergangenheit wie ein Buick oder ein Plymouth. Hintergrund: Der US-Stützpunkt Ramstein in der westlichen Pfalz ist nicht weit und auch von dort her kommen Jahr für Jahr Menschen mit viel Empathie für Automobile, die schon viele Jahre auf dem Buckel haben.

Besondere Aufmerksamkeit genießt eine putzige Borgward Isabella, die sich mit Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor durch die Reihen der weitaus mächtigeren Karosserien hindurch schlängelt und alsbald einen Platz neben einem Ford 12 M gefunden hat. Ihr entsteigt der Fahrer, ein junger Mann, den wir ansprechen. Nicht mal halb so alt wie sein Borgward aus den späten 1950ern ist er. Mitte zwanzig gerade mal. Mit Habitus wie Sneakers, Röhrenjeans und hautengem Diesel-Shirt fällt er in der »Altherren-Garde« ebenso auf wie sein rollender Untersatz.

„Dieses Auto macht mir eine gewisse Individualität möglich“, sagt er. Joshua (seinen Namen hat er uns ohne Umschweife verraten) liebt zwar auch alte Autos, aber eben nicht nur Fahrzeuge, die in die Jahre gekommen sind. Alles „was nicht so piefig und spießig ist“ ziehe ihn besonders an. Das gelte beispielsweise auch für ältere Möbel oder Accessoires. Als BWL-Student sei er zwar nicht der geborene Schrauber an seinem Auto. Aber er habe jede Menge Leute in seinem Bekanntenkreis, die sich drauf verstehen und von diesem alten Borgward fasziniert sind. Dinge wie Bordcomputer, Assistenzsysteme oder Abgaswerte seien ihm suspekt. Seine Alltagsmobilität bestehe aus öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Fahrrad. Die Isabella sei ihm auch ein Mittel, den eigenen automobilen Nonkonformismus zu pflegen. „Mit diesem Auto schlage ich auch der Leistungsgesellschaft ein Schnippchen. Solange ich mir das zumindest noch leisten kann“, sagt Joshua.

Es fällt auf, an diesem Tag, dass neben stolzen Besitzern, deren Jahrgänge sich denen ihrer Fahrzeuge verdächtig nahe angleichen, auch etliche Sammler, Jäger und Fahrer sind, die ihre Kinder sein könnten. Ein Einser Golf wird von Mittzwanzigern genauso gehätschelt wie ein Peugeot Samba oder gelb-weißes Opel Kadet C Coupé aus den 1970er-Jahren. Zwei Jungs aus dem Verein geben preis: „Youngtimer fahren heißt, nicht abgehoben, aber etwas anders zu sein. Es muss und soll kein alter 911 sein.“ Das »Garagengold« ist für junge Leute in diesem Falle nicht als Standesdünkel, sondern als sichtbares Zeichen der Freude, des Respektes und des Interesses am Umgang mit dem Kulturgut Automobil. 

Oldtimer, das haben wir an diesem zweitägigen Wochenende gelernt, müssen nicht unbedingt nur etwas für Oldtimer sein.

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