Der verkannte Visionär


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Mit wassergekühlten Frontmotoren und Vorderradantrieb kündigte der K70 einen Paradigmenwechsel in der Welt luftgekühlter Heckmotor-Bestseller an

 

Der heute fast vergessene VW K70 war das Bindeglied zwischen Käfer und Golf

Dennoch war der Heckmotor längst nicht tot, wie das klassische VW-Portfolio 1970 durch neue Rekordverkaufszahlen demonstrierte. Der K70 musste sich sogar mit einem luftgekühlten Konzern-Konkurrenten messen und unterlag dabei dem Typ 411. Und trotzdem ebnete das »Stiefkind aus Neckarsulm« dem Longseller Golf und anderen Modellen die Bahn.
Allerdings: Die Verkaufszahlen der gleichfalls neu vorgestellten direkten Konkurrenten mit konventionellem Hinterradantrieb, also Ford Taunus und Opel Ascona, konnte der erste frontgetriebene Volkswagen mit 55 kW/75 PS oder 66 kW/90 PS starken 1,6-Liter-Vierzylindern nicht einmal ansatzweise erreichen und auch Mittelfeldspieler mit Premium-Image wie Peugeot 504 oder Audi 100 blieben populärer.

Nur 210.000 Einheiten

Der Volkswagen 411 versuchte den Erfolg des Käfers in die obere Mittelklasse zu übertragen, erntete mit dem antiquierten Konzept des Krabbeltieres aber ebenso wenig Begeisterung wie mit seinem kuriosen Frontdesign

Der viertürige Volkswagen blieb ein Außenseiter bis seine Produktion nach nur 210.000 Einheiten 1975 still und leise auslief. Natürlich lag das auch am fehlenden Variant – ein bereits fertiger K70 Kombi blieb zugunsten der familienfreundlichen Variante des VW 411/412 – in der Asservatenkammer. Aber die kommerzielle Niederlage für den K70, der sich am Ende seine unausgelasteten Fließbänder mit dem 412 teilen musste, hätte kaum größer sein können.


große Fensterflächen
und seitliche Charakterlinie
auf Höhe der Türgriffe
wiesen weit in die Zukunft.

 

Im Herbst 1967 hatte der Kleinwagenspezialist NSU mit dem Ro 80 die weltweit erste Wankelmotor-Limousine präsentiert, ein Leuchtturmprojekt in der oberen Mittelklasse. Was im NSU-Programm freilich fehlte, war ein Mittelklassemodell als Bindeglied zum Kleinwagenprogramm: der K70 (K wie Hub-Kolbenmotor), designt wie Ro 80 von Claus Luthe. Zwar fehlte es dem K70 an der Stromlinie des Wankeltyps, aber die ausgewogenen Fahrzeug-Proportionen durch den auf der Vorderachse platzierten Motor, mit kurzen Karosserieüberhängen, großen Fensterflächen und seitlicher Charakterlinie auf Höhe der Türgriffe wiesen weit in die Zukunft. Tatsächlich nahmen die von Giorgio Giugiaro gezeichneten Typen Passat (1973) und Golf (1974) sowie der noch von Claus Luthe mitgeprägte Audi 50 bzw. VW Polo (1974) viele dieser Elemente auf.

Der Opel Ascona als viertürige Limousine im Modelljahr 1971

Der K70 gewann zwar auf Anhieb so manchen Vergleichstest, aber anfängliche Getriebeprobleme und andere kleine Qualitätsdefizite der neuen Limousinen waren für die Käfer-Klientel ungewohnt. Überdies verhinderte die Kastenform eine standesgemäße Vmax, damals wichtiger Imagefaktor. Tatsächlich war der K70 kaum flotter als der Käfer im Supersize-Format vom Typ 411 und mit 159 km/h langsamer als sämtliche 90-PS-Wettbewerber. Und so fiel es den VW-Verkäufern leicht, im Schauraum eher die vertraute Technik des 411 zu empfehlen als den gewöhnungsbedürftigen und obendrein kostspieligen K70. Verlangte doch VW für sein 1,6-Liter-Vierzylinder-Flaggschiff ebenso viel wie Ford für einen 2,3-Liter-V6. Und der 1972 lancierte moderne Opel Rekord II machte dem K70 das Leben auch nicht leichter. Gerade noch 7.000 Kunden kauften 1974 einen K70, dagegen bereits 341.000 den VW Passat. So schlug der vorletzten NSU-Entwicklung schon 1975 die Stunde, zwei Jahre vor dem finalen Ro 80.

Eine Ro-80-Werbung von 1976

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