Doch am konstruktiven Talent der beiden hatte er genauso wenig Zweifel wie an deren handwerklichem Geschick – und schon war er wieder mittendrin im Abenteuer Automobilbau. Und weil er jetzt einer von dreien ist und der Name Wiesmann obendrein den Unternehmensnachfolgern gehört, musste zudem eine neue Marke kreiert werden: Boldmen – kühne Männer – steht deshalb jetzt auf dem Roadster, mit dem die Produktion in diesem Sommer für Preise ab etwa 185.000 Euro begonnen hat.
Und kühn sind die drei Herren und ihre Handvoll Mitarbeiter allemal, wenn sie ausgerechnet im teuren Deutschland eine Kleinserienproduktion von maximal 120 Fahrzeugen im Jahr auflegen wollen, sich dabei in einem für diese Verhältnisse vergleichsweise niedrigen Preissegment bewegen und obendrein auch noch den Trend zum Elektroauto ignorieren. Denn während allerorten Start-Ups mit neuen Stromern um die Reichen und Schönen buhlen, bedient der verhinderte PS-Pensionär mit seinen beiden Partnern ausschließlich die Petrolheads. „Solange es geht, halten wir dem Verbrenner die Treue und denken erst später mal über einen Stromer nach“, sagt Wiesmann.
Am ewigen Wettrüsten auf der Überholspur wollte sich Wiesmann nicht beteiligen und setzt stattdessen auf eine gehörige Portion Understatement. Und anders als bei MF4 und MF5 gibt es erstmal nur den Roadster. Zudem ist das neue Auto handlicher als früher und tritt in einem anderen Preissegment an. Doch im Grunde ist der Boldmen CR4 ein typischer Wiesmann. Denn auch dieser Zweisitzer basiert auf BMW-Technik. Nur dass diesmal nicht M3 und M5 als Teilespender herhalten mussten, sondern der Z4.
Und weil der auch die Basis für den Toyota Supra liefert, ist das Auto umbaufreundlicher konstruiert als üblich: Alle Karosserieteile sind von der Struktur losgelöst und lassen sich ganz einfach austauschen. Und das kommt dem Boldmen-Trio entgegen. Schließlich wird der Z4 während der wochenlangen Handarbeit in der Weldener Werkstatt komplett gestrippt und neu eingekleidet.
Natürlich ist der CR4 mit seinen 185.000 Euro mehr als zweimal so teuer wie der Z4 M40i, der dem Boldmen als Basis dient. Aber dafür gibt es auch deutlich mehr Auto: Mehr Leistung, weil das Trio dem drei Liter großen Sechszylinder-Motor jetzt mit einem neuen Chipsatz 408 statt 340 PS abtrotzt. Mehr Fahrspaß, weil der Spurt auf Tempo 100 mit 610 statt 500 Nm in 3,9 Sekunden und damit 6 Zehntel schneller gelingt. Und vor allem mehr Liebe zum Detail: Die eigenständige Karosserie mit dem typischen Hüftschwung am Heck ist aus Karbon gebacken und lässt dem Kunden bei der Farbwahl alle Möglichkeiten. Und wo man bei BMW im Cockpit noch immer reichlich Kunststoff sieht, wird beim Boldmen jedes, aber auch wirklich jedes Bauteil mit Leder überzogen. Außerdem gibt’s ein neues Setup für Fahrwerk und Lenkung, das den leidenschaftlichen Charakter des offenen Gran Turismo betonen will.
Das alles ist natürlich auf dem Stand von 2022. Um für das neue Projekt zu werben, greift er freilich auf ein bewährtes Rezept aus den Neunzigern zurück. Wie damals tingelt Friedhelm Wiesmann durch die Luxusoasen der Reichen und Schönen und bittet auf Sylt oder am Starnberger See zu Testfahrten.
Fotos Boldmen