Projekt s1000plus entwickelt eigenes Autogassystem


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1.000 Kilometer allein mit Autogas – ganz ohne Nachtanken: Dieses Ziel hat sich Anfang 2011 das Institut Automotive Powertrain der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTWdS) gesetzt. Jetzt, nach einem Jahr, zeigt sich, wie ehrgeizig dieses Projekt ist. Bereits seit 2006 begleitet und unterstützt die KÜS die verschiedenen Autogasprojekte von Automotive Powertrain. Aus gutem Grund: Mit diesem Alternativ-Kraftstoff lässt sich sehr schnell zu vertretbaren Preisen das Treibhausgas CO2 nennenswert reduzieren.

S1000-Versuchsfahrzeug

Mit diesem Peugeot 5008 wird das Institut Automotive Powertrain 2012 mehr als 1.000 Kilometer mit Autogas ganz ohne Nachtanken zurücklegen. Voller Begeisterung sind die Studenten und wissenschaftlichen Mitarbeiter dabei, um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen.

Die Kühlung von Autogas rückt inzwischen bei allen Autogas-Anlagen-Herstellern in den Mittelpunkt, und damit auch bei der HTW. Anders als in der grauen Vergangenheit, in der flüssiges Benzin im Vergaser oder bis in die jüngere Vergangenheit LPG (Liquefied Petroleum Gas) im Verdampfer in den gasförmigen Zustand überführt wurde, werden Ottokraftstoffe heute unter hohem Druck direkt in den Brennraum eingespritzt. Benzindirekteinspritzer heißen diese hochmodernen Motoren, die Sprit sparen, aber ihre Konstrukteure vor neue Probleme stellen.

Eines davon ist die Dampfblasenbildung. Mitunter lässt sich ein heißer Direkteinspritzer nach einem Halt – bei dem die Start-Stopp-Automatik das Kraftwerk abschaltet – nicht mehr starten. Weil sich verdampftes Autogas in der Gasphase in der Hochdruckpumpe breit gemacht hat. Die Folge ist vergleichbar mit einem schlecht entlüfteten Kraftstoffsystem, d. h. der Motor ruckelt oder geht je nach Temperatur der Hochdruckpumpe sogar wieder aus. Und Autogas ist hier noch deutlich empfindlicher als Benzin. Die Hochdruckpumpen von Benzindirekteinspritzern haben einen hohen Bedarf an Antriebsleistung und sind daher direkt am Motorblock montiert. Das schafft durch direktes Ansprechen über die kurzen Wege eine verbesserte Fahrbarkeit und geringere Abgasemissionen, ist aber thermisch alles andere als ideal. Genau daraus wollen aber die Saarbrücker Forscher einen Vorteil ziehen. Sie entwickelten eine sehr effektive sowie kompakte Kühlung für die Hochdruckpumpe, die zur Patentanmeldung ein-gereicht worden ist. Das Verfahren nutzt überschüssiges Autogas zur Kühlung und leitet überhitzte Anteile über einen Kunstgriff wieder in den Autogastank zurück. In einem weiteren Schritt werden jetzt Sensorkennlinien auf das Startverhalten bei monovalentem Autogasbetrieb angepasst. Dies ist unmittelbar vergleichbar mit den aufwändigen Einstellarbeiten, die auch ein Fahrzeughersteller bei der Einstellung eines neuen Motortyps für ein optimales Startverhalten des Fahrzeugs vornehmen muss. Eine andere große Herausforderung im Projekt s1000plus ist das Tanksystem. Da das Versuchsfahrzeug Peugeot 5008 keine Reserveradmulde hat – der fünfte Pneu ist unter dem Fahrzeugboden angebracht – mussten die Saarbrücker Wissenschaftler ganz neue Wege gehen. Natürlich, der Platz des Reserverades kann auch unterflur genutzt werden, doch das allein reicht nicht, um die geforderte Reichweite von mehr als 1.000 Kilometern zu schaffen. Daher stand schon sehr früh fest, dass der serienmäßige Benzintank ganz weichen muss. Den braucht das Projektteam auch nicht, schließlich läuft der Peugeot inzwischen vollständig mit Autogas. Auf Benzin kann selbst in der Startphase verzichtet werden, genau wie bei den Versuchsfahrzeugen im Vorgängerprojekt CO2-100minus.

Carolin_Werner

Carolin Werner ist die einzige Frau im Team des Projektes s1000plus. Sie kümmert sich unter anderem um die Elek-trik und Verkabelung für die Autogasanlage und die Messgeräte.

Den gewonnenen Platz sollen sogenannte Matratzentanks ausfüllen. Hierbei sind lange, schlanke Zylinder so zu einem Tank kombiniert, dass sie an eine Matratze erinnern. Daher der Name. Derartige Tanks gibt es in Europa noch gar nicht, weshalb die wissenschaftlichen Mitarbeiter Michael Fries und Volker Witte ihre Fühler nach Neuseeland und Australien ausstreckten. Die Kraftstoffbehälter waren praktisch schon bestellt, da gab es einen Rückschlag: LPG-Tanks dürfen in Down Under aus Aluminium sein, hier dagegen nicht. Das Metall ist halt deutlich spröder als Stahl und so wird befürchtet, dass die Wände einem Unfall nicht standhalten, auch wenn sie den vorgeschriebenen Drucktest bestehen.

Kein Grund, das Thema Matratzentanks zu den Akten zu legen. Die Möglichkeiten der Bauraum-Ausnutzung sind Rund- und Zylindertanks einfach um Längen überlegen. Immer mehr Autohersteller verzichten heute auf eine Reserveradmulde oder bestücken sie mit anderen Aggregaten wie zum Beispiel den immer größer werdenden Batterien und ihrem Steuergerät zum Akku-Management. Daher wird Automotive Powertrain an der Idee flacher, langer Tanks festhalten – entweder als gemeinsame Weiterentwicklung mit den Neuseeländern und auch als eigene Lösung.

In die Mittelkonsole des Peugeot 5008 haben die HTW-Studenten inzwischen ein Testcockpit montiert, von wo aus sie verschiedene Parameter, zum Beispiel zu Druck und Temperatur, ablesen und auch beeinflussen können. Auch die Pumpe im Tank kann von hier aus bedarfsgerecht gesteuert werden. So muss bei den inzwischen umfangreichen Testfahrten nicht immer ein Beifahrer mit einem Laptop an Bord sein, der die Autogasanlage zusätzlich nach den Erfordernissen der jeweiligen Tests steuert.

Einen Autogasanlagenhersteller als Partner hat das Projekt s1000plus nicht. Nach einem Eigentümerwechsel bei dem zunächst vorgesehenen Gasanlagen-Hersteller entschieden sich die Professoren Dr.-Ing. Thomas Heinze und Dr.-Ing. Harald Altjohann jetzt für die Eigenentwicklung eines Autogas-Systems. Natürlich greifen sie bei einigen Komponenten auf Zulieferer zurück, doch das machen andere LPG-Anlagenbauer ja auch. Insgesamt stellen sie – auch mit den Erfahrungen der Vorgängerprojekte – ein Paket zusammen, das für die Realisierung des Projektzieles von 1.000 Kilometern ohne Nachtanken optimal ist.

Labor

Im „Labor für Verbrennungskraftmaschinen“ der HTW können unter anderem an zwei Motorenprüfständen Versuchsreihen mit extrem genauen Messgeräten durchgeführt werden.

Anders als Serienhersteller, die bei einer Umrüstung mit viel Aufwand den wechselnden Betrieb von Benzin und LPG sicherstellen, konzentriert sich das Hochschulprojekt auf den alleinigen Autogas-Betrieb. Das hat den Vorteil, dass alle Bauteile und auch die Steuerungen allein auf Flüssiggas abgestimmt werden können. So kann zum Beispiel der motorische Wirkungsgrad durch die Nutzung der höheren Oktanzahl von Autogas gesteigert werden. Durch den direkten Start mit Autogas entstehen zudem weniger Schadstoffe wie aromatische Kohlenwasserstoffe und auch die Feinstaub-Problematik moderner Direkteinspritzer entfällt.

Im Herbst wird es dann richtig spannend. Verschiedene Motorjournalisten – die mit Autos ja nicht gerade zimperlich umgehen – sollen insgesamt die 1.000-Kilometer-Testfahrt machen. Bis der Tank wirklich leergefahren ist. Abgeschleppt werden muss der Peugeot 5008 anschließend trotzdem nicht, denn bei Automotive Powertrain wurde quasi nebenbei auch ein «Reservekanister» entwickelt, mit dem LPG in den Kraftstofftank gepumpt werden kann.

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