Insekten im Fokus der Bionik


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Sie kann mehr als das Hundertfache ihres eigenen Körpergewichts tragen, ihre Spezies lebt „zu Millionengruppen“ in gigantischen Bauten. Sie muss ohne Landmarken oder vorauseilende Artgenossen bzw. auch nur deren Geruchsspuren ihren Weg zurück ins Nest finden.

Barbara Schlögl hat an der Hochschulabteilung Bocholt im Studiengang Bionik eine Doktorarbeit geschrieben, in der das Orientierungsverhalten einer Wüstenameise auf Laufroboter übertragen wird. Das Bild zeigt sie bei ihrer Doktorprüfung.

Die Rede ist von der Wüstenameise, lateinisch und damit im Wissenschaftsgebrauch Cataglyphis fortis. Hintergrund: In ihrem Lebensraum, zum Beispiel in den ausgetrockneten tunesischen Salzseen, gibt es keine Landmarken, Duftstoffe von Artgenossen verdunsten in der Wüste. „Dass sie trotzdem ihr Nest auch nach ausgedehnten Futtersuchen wiederfindet, hat uns in der Bionik neugierig gemacht“, erklärt Barbara Schlögl den Ansatz ihrer Doktorarbeit. Schlögl promovierte an der Westfälischen Hochschule (Gelsenkirchen/Bocholt/Recklinghausen) in Kooperation mit der Universität Duisburg-Essen.
Die Ameise nutzt die Sonne zur Richtungsbestimmung und ihre Beine zur Entfernungs- und Neigungsbestimmung. Daraus ermittelt sie den kürzesten Weg zurück zum Nest. Auf diesem bereits bekannten Phänomen aufbauend wies Schlögl technisch nach, dass dafür das Messen von Beinkräften ausreichend ist, indem die Ameise den Winkel ihrer sechs Beine zum Untergrund und damit die Kraft, die sie beim Laufen aufbringen muss, speichert. Schlögl fand außerdem heraus, dass Roboter dieses Wirksystem nachahmen können, indem sie mit künstlicher Intelligenz aus dem Drehmoment in ihren Maschinenbeingelenken den Untergrundneigungswinkel ermitteln – Navigation ohne externe Hilfsmittel.
Zunächst probierte die Doktorandin das an einem einbeinigen Prototyp, später übertrug sie ihre Forschungsergebnisse auf einen üblichen sechsbeinigen technischen Laufroboter.
Die Cataglyphis fortis als Meister im Orientieren, quasi ein GPS im Insektenreich als Vorbild für Laufroboter der Zukunft: „Die von Barbara Schlögl vorgestellte Methode ist ein Beispiel dafür, wie wir von der Natur lernen können, um deren in Jahrtausenden der Evolution entwickelte Methoden in Technik und Maschinenbau nutzen zu können. Technisch besonders elegant ist, dass der Roboter dabei keine zusätzliche Hardware benötigt“, zeigt sich Prof. Dr. sc. nat. Tobias Seidl überzeugt. Der Hochschullehrer (Westfälisches Institut für Bionik, Fachbereich Maschinenbau, Bocholt) war auch Zweitgutachter von Schlögls Doktorarbeit.
Bionik als Wissenschaft hat zum Ziel, Wege aufzuzeigen, wie sich künftige Lebenswelten verantwortungsbewusst im Einklang mit der Natur gestalten lassen. Die Forschungen von Dr. Barbara Schlögl bestätigen in diesem Sinne zudem, was ein Sprichwort aus Burkina Faso sagt: Wenn Ameisen sich einigen, können sie Elefanten transportieren.

Text Erwin Halentz
quelle idw online/Westfälische Hochschule
Fotos Tobias Seidl, Westfälische Hochschule

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