Mercedes Benz und die Kunst, Automobile zu verkaufen


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Zunächst begeistert sich Nikolaus II. (1868 bis 1918), der letzte russische Zar, überhaupt nicht für Automobile – doch plötzlich kann er gar nicht genug von ihnen bekommen: Nachdem sein Kanzleichef Fürst Wladimir Orloff (1869 bis 1927) ihn im Sommer 1905 in seinem Mercedes zu einer Spazierfahrt mitgenommen hat, zündet der Funke.

„Seine Majestät fängt an, Automobile zu lieben, und er will selbst welche besitzen“, hält Fürst Orloff wenig später in seinem Tagebuch fest. „Welche“ klingt im Nachhinein leicht untertrieben, denn bis 1916 wächst der kaiserliche Fuhrpark auf 56 Automobile an. Neben Mercedes und Benz (die Fusion zu Daimler-Benz erfolgte erst 1926) befinden sich darunter auch französische, britische, US-amerikanische und russische Exemplare. Übrigens lässt sich der letzte Zar stets chauffieren – Autos selbst zu fahren lernt er nie.


Die Chauffeure – wörtlich übersetzt »Heizer« – sind in der Frühzeit des Automobils in Personalunion auch Mechaniker, die bei Herstellern wie Daimler oder Benz in die Geheimnisse der neuen Technik eingeweiht werden. Ab Anfang des 20. Jahrhunderts übernehmen die beiden damals noch eigenständigen Unternehmen auch die Ersatzteilversorgung und den Service nach und nach in eigener Regie. Im Jahr 1900 unterhält Benz in Deutschland zehn, europaweit sechs Stützpunkte.

Daimler zählt bis 1914 rund 100 solcher Anlaufstellen. Nach der Fusion 1926 schließt Daimler-Benz bis zum Ende der 1930er Jahre mit 635 freien Händlern und Werkstätten Verträge ab, dazu kommen 44 Niederlassungen und fünf sogenannte Fabrikwerkstätten. Weltweit existiert ein Netzwerk von 75 Anlaufstellen für die betuchte Kundschaft.

Parallel dazu entwickelt sich das Vertriebsnetz. Der erste Benz-Vertreter ist 1888 – zwei Jahre nach der Erfindung des Automobils durch Carl Benz – ein gewisser Emile Roger (1825 bis 1898), der in Paris Benz-Automobile an den Mann bringt. 1893 gründet Frederick Richard Simms (1863 bis 1944) in London die Daimler Motor Syndicate Ltd. Er gilt damit zugleich als Begründer der britischen Automobilindustrie. Erster Generalvertreter für Daimler-Automobile wird der in Leipzig geborene Geschäftsmann Emil Jellinek (1853 bis 1918), der in seinem Domizil im mondänen Nizza eine Leidenschaft für die neue Art der Fortbewegung entwickelt.

Jellinek startet auch bei Rennen, und zwar unter dem Pseudonym »Monsieur Mercédès«. So lautet der Vorname seiner Tochter (1889 bis 1929). Auf Jellineks Initiative erhält daraufhin auch ein völlig neu entwickeltes und im Jahr 1900 vorgestelltes Daimler-Modell diesen Namen. Er selbst nimmt das erste Exemplar des »Mercedes 35 PS“ in Empfang – und schreibt Geschichte. Im Sommer 1902 meldet die Daimler-Motoren-Gesellschaft den Namen »Mercédès« als Warenzeichen an und lässt ihn wenig später gesetzlich schützen. Doch Jellinek profitiert nicht nur finanziell: Im Sommer 1903 ändert er seinen Namen in Jellinek-Mercédès. „Wohl zum ersten Mal trägt der Vater den Namen seiner Tochter“, soll er dazu bemerkt haben. 1909 hängt er das Automobilgeschäft an den Nagel.

„Wohl zum ersten Mal trägt der Vater den Namen seiner Tochter.“

Zu jenem Zeitpunkt baut die Daimler-Motoren-Gesellschaft bereits ihr eigenes, bald weltumspannendes Vertriebsnetz auf, eine Mischung aus Werksverkaufsstellen und Importvertretungen. Heute, über 100 Jahre später, hat Daimler weltweit über 9.000 Vertriebsstandorte. Doch es sind gerade jene Fotos aus der Frühzeit des hauseigenen Automobilverkaufs, die faszinieren und in der Öffentlichkeit kaum bekannt sind. Einige der schönsten haben wir für Sie im Daimler-Archiv ausgewählt – viel Spaß bei der Entdeckungsreise in längst vergangene Zeiten!

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