Vierliter, V8, 32 Ventile – mit den technischen Spitzendaten eines BMW 740i stiegen noch vor wenigen Jahren beim Auto-Quartett die Chancen auf einen Stich ganz gewaltig. Doch werden die Kartenhersteller wohl umdenken müssen. Denn in der Automobilindustrie steht jetzt Downsizing auf dem Programm. VW hat es schon vor über zehn Jahren vorgemacht.
Man nehme zum Spritsparen einen kleineren Hubraum, in den zwangsläufig weniger Gas-Luft-Gemisch einspritzt, und gleiche das Leistungsdefizit mit Turbolader, Kompressor und Co aus.
Und schon reicht ein 1,4-Liter-Motörchen, um einen Passat TSI mit 122 PS trotzdem ordentlich auf Trab zu bringen.
Doch ist die Idee noch steigerungsfähig. Das beweist Fiat. Die Italiener verzichten einfach auf zwei von vier Zylindern. Und Premiere feiert der neue Antrieb im Fiat 500 TwinAir mit 875 Kubikzentimetern Hubraum und 85 PS. Damit lässt der Kult-Mini die Kleinwagenkonkurrenz mit einem bislang unschlagbaren ECE-Verbrauch von 4,1 Litern locker hinter sich, ein Wert, der später mit einem automatisierten Dualogic-Schaltgetriebe sogar noch auf 4,0 Liter sinken soll; ausgedrückt in CO2-Emission entspricht das 95 und 92 g/km.
Dieser Fortschritt bleibt nicht unbemerkt und so hagelt es im In- und Ausland angesehene Preise und Ehrungen von Fachverbänden sowie der Presse. Dabei soll nicht vergessen werden, dass auch in der Vergangenheit schon einige technische Neuerungen zuerst in Turin das Licht der automobilen Welt erblickten, etwa 1987 der weltweit erste Pkw-Diesel mit Direkteinspritzung. 1997 revolutionierte die Common Rail-Technologie den Selbstzünder und 1999 folgte das ersteautomatisierte Schaltgetriebe. 2009 schließlich ersetzt das Multi-Air-System dieEinlassnockenwelle. Diese Weltpremiere ist eine Voraussetzung für den aktuellen Zweizylinder-Coup.
Bei der MultiAir-Technologie werden die Einlassventile von einem elektrohydraulischen System gesteuert. Die Ventilsteuerzeiten können zylinderselektiv völlig frei gewählt und dem jeweiligen Lastzustand des Motors angepasst werden. Jeder Zylinder verfügt über ein eigenes Hydrauliksystem mit einer separaten Hydraulikkammer. Eine zusätzliche Nocke an der Auslassnockenwelle übermittelt das Ventilspiel auf mechanischem Wege an das MultiAir-System. Ist das elektronisch gesteuerte Magnetventil an der Hydraulikkammer geschlossen, ist kein Ölfluss möglich und die Hydraulikkammer verhält sich wie ein starres Bauteil. In diesem Fall verläuft das Ventilspiel vergleichbar einem konventionellen System. Ist hingegen das Magnetventil an der Hydraulikkammer geöffnet, sind Nocken und Ventile mechanisch voneinander getrennt. Die Einlassventile folgen nun nicht mehr dem Rhythmus der Nocken, sondern schließen durch Federkraft. In diesem Fall steuert eine Mechatronik über Magnetventile die Einlassventile, abgestimmt auf die spezifische Fahrsituation. Damit wird die Luftzufuhr in die Zylinder optimal an die tatsächlichen Anforderungen angepasst, was insbesondere im Teillastbereich die Effizienz des Verbrennungsmotors steigert.
Dank der präzisen Kontrolle der in den Zylinder einströmenden Luft ohne Nutzung einer konventionellen Drosselklappe wird die Verbrennung optimiert.
MultiAir erreicht so eine Verringerung des Kraftstoffverbrauchs – Fiat verspricht bis zu minus 15 Prozent – bei gleichzeitig gesteigerter Leistung.
Durch die optimierte Verbrennungskontrolle werden auch die Emissionen verringert, und das Ansprechverhalten des Motors verbessert sich merklich.
Der MultAir-Technologie fehlte nur noch ein kongenialer Antrieb, der die Vorteile des Systems unterstützt. Und da haben sich die Italiener an das Prinzip des guten alten Zweizylinders erinnert, der seinerzeit auch den «Cinquecento» von 1957 anschob. Wie praktisch, dass jetzt auch ein aktueller 500er zur Verfügung steht, der in der ganzen Welt die Herzen des Publikums berührt und Fiat endlich wieder schwarze Zahlen beschert. Dessen Triebwerk ist jedoch ein High-Tech-Benzinmotor, der die MultiAir-Technologie mit einem Turbolader kombiniert. Dadurch werden die niedrigen Werte für CO2-Emissionen und Kraftstoffverbrauch erreicht.
Einen Nachteil hat allerdings ein Zweizylinder-Triebwerk: konstruktionsbedingt auftretende Vibrationen.
Doch will sie Fiat mit einer zur Kurbelwelle gegenläufig arbeitenden Aus-gleichswelle eliminieren. Das funktioniert in der Theorie besser als in der Praxis, denn die Vibrationen dringen während der Fahrt bis in den Schalthebel oder das Lenkrad vor, allerdings im er-träglichen Maß. Der Zweizylinder meldet sich mit einem kernigen, aber nicht unsympathischen Sound zu Wort. Untenherum pflegt er oberhalb der Leerlaufdrehzahlein gewöhnungsbe-dürftiges Turboloch, um dann ab 2.000 U/min kräftig anzuziehen.
Fiat plant eine Twin-Air-Motoren-Familie, zum Beispiel eine Kombination mit einem Elektro-Antrieb. Auch Erdgas-Versionen werden folgen. Der Zweizylinder wird in verschiedenen Leistungsstufen zwischen 65 PS und 105 PS angeboten werden und auch in den Modellen Panda, Punto Evo sowie bei den Konzerntöchtern Alfa und Lancia erhältlich sein.
Mittelfristig bietet das ursprünglich für den Einsatz in Ottomotoren konzipierte MultiAir-System das Potenzial, auch beim Diesel nochmals die Emissionen zu senken.
Daher wird diese Technologie auch zu einer Systemvereinheitlichung der Benzin- und Dieselmotoren beitragen: Die Hersteller von Auto-Quartetten werden noch viel dazulernen müssen.