Design exklusiver Karossen: Ein Blick hinter die Kulissen


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Unter die Boattail-Abedeckung passt fast ein ganzer Hausstand

Auch heute, fast 15 Jahre nach Antritt des ersten Jobs, kann Alex Innes sein Glück nicht so recht fassen: „Ich war einfach zur rechten Zeit am rechten Ort“, sagt der Brite. Und dieser Ort heißt Rolls-Royce. Noch als Student des Auto-Designs an der Coventry University konnte er, damals Anfang 20, die Partner von seinen Ideen überzeugen. „Die Marke sollte mutiger, jünger, emotionaler werden”, sagt Innes – und sicher auch mehr als die damals 500 Fahrzeuge im Jahr verkaufen. Jedenfalls einige mehr.
Der jungenhafte Bewerber verkörperte da offenbar als Mensch genau das, was die Autos selbst noch werden sollten. Anzugjacke aus edlem Stoff, aber auch Leder-Armband, Smartwatch, T-Shirt und Dreitagebart: Das war nicht die Welt der ehrfurchteinflößenden Kathedralen vom Schlag eines Phantom im Jahr 2008 – aber genau die Welt der neuen Kundengeneration in Kalifornien, China oder Arabien. Und für die brauchte die Marke aus dem BMW-Konzern ein Gesicht.
Zu dem Rolls-Royce von heute mit dem sportlichen Zweitürer Wraith, dem Cabrio Dawn oder dem SUV Cullinan passt der drahtige Designer Innes schon eher; erst recht zu Statements wie den tiefschwarzen „Black Badge”-Ausführungen. An all diesen neuen Rolls hat der 37-Jährige an der ein oder anderen Stelle mitgearbeitet – und fast schon zeitgleich zur damit verbundenen Verzehnfachung der Verkaufszahlen bei den exklusivsten Fahrzeugen der ganzen Palette: den Einzelanfertigungen. Bei denen wird sogar die Karosse neu gestaltet. Made by Alex Innes, dem Head of Coachbuilding.
In den kommenden Jahren sollen viele solcher Unikate entstehen. Derzeit gibt es einen „Sweptail” und drei „Boattail”, nur vier Fahrzeuge sind also bisher mit diesem höchsten Aufwand für besondere Kunden von Grund auf entworfen worden. Das liegt nicht primär an der zweistelligen Millionensumme, die ein solches Unikat den Besitzer kostet, mit Mahagoni-Wurzelholz, Echtgold-Applikationen, eingebaute Bars, Por-
zellan-Intarsien, Waffenschränke oder rollende Kinosäle, sondern: Ein völlig neues Blechkleid ist dagegen ein Wunsch, den auch Rolls-Royce nicht jedem erfüllen mag: „Alle Autodesigner müssen ja antizipieren, was die Verbraucher in vier oder fünf Jahren wollen werden. Ich kann es nur eben Hand in Hand mit dem Auftraggeber machen; fast wie ein Architekt beim Bau einer Villa.” Das Ergebnis soll aber dann eben genauso zum Kunden wie auch zum Zukunftsbild von Rolls-Royce passen. „Wir suchen daher Menschen, die tief verbunden sind mit der Marke”, erklärt Innes den besonderen Aufwand, den Rolls-Royce wohl als einziger Automobilhersteller überhaupt aktuell anbietet.

Der Designer Alex Innes ist bei Rolls Royce für die exklusiven Einzelanfertiungen zuständig

Seine ersten Dialogpartner auf der Suche nach der besonderen Gestalt sind die Teilnehmer des „Whisper”-Programmes. Die weltweit rund 120 Rolls-Flüsterer bekommen ohnehin schon regelmäßig früher zu sehen, wohin die gestalterische Reise bei den Briten gehen soll. Und nicht wenige der Menschen, die oft schon ein paar Produkte aus Goodwood in den eigenen Parkhäusern haben, bringen dabei ganz eigene Ideen ein. Vom Karbon-Klapphocker im Heck bis zum Schwung der Kotflügel.
So spiegelt beim Boattail das klassische Heck einer edlen Segelyacht die Vorlieben der typischen Rolls-Kundschaft und erinnert zugleich an Fahrzeuge des Herstellers aus den Goldenen Zwanzigern. „Es ist uns ja wichtig, an solche Autos aus unserer Historie anzuknüpfen”, sagt Innes. Die Marken-Geschichte ist schließlich ein Wert, den neue Wettbewerber aus Asien oder den USA nicht kopieren können.
Aber natürlich ist der Erfolg der Zukunft ohne Elektrifizierung und digital vernetzte, autonom fahrende Autos auch bei Rolls-Royce nicht denkbar. Die Tage des Zwölfzylinder-Gebirges unter der Motorhaube sind gezählt, mit dem Spectre steht auch in Goodwood das erste Elektro-Auto vor der Serienproduktion. Karosseriedesigner Innes freut sich auf „deutlich weniger Beschränkungen für uns Designer.”
Die neuen Zeiten verlangen allerdings bei aller Individualisierung weiterhin die üblichen Freigaben durch Zulassungsstellen. Was bei aller Kreativität nicht vergessen werden darf: Die Grundlagen wie Crash-Strukturen, Software und Antriebsstrang sind für den Designer tabu. Da hat es für ein technisches Basis-Modell seiner Kreationen wie gegenwärtig etwa dem Phantom bereits einmal eine weltweite Freigabe bei den Behörden gegeben – und an dieser Konfiguration darf – natürlich – nichts verändert werden.

Sonderwünsche der solventen Kundschaft werden umgesetzt

Bei den Einzelfertiguen wird sogar die Karosse neugestaltet. Made by Alex Innes, dem Head of Coachbuilding

Text SP-X/Peter Weißenberg
Fotos Rolls-Royce

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