Wie tickt Ihr Motor?


0

In den 80er-Jahren war die Motorenwelt noch in Ordnung. Wer sich für einen konservativen Mercedes 200 (Modell W124) entschied, bekam einen Benziner mit Steuerkette. Die sorgte dafür, dass die Nockenwelle mit der Kurbelwelle verbunden ist und so ein Leben lang die Ventile zum rechten Zeitpunkt öffnet und schließt. Das muss sein, um das Benzin-Luftgemisch ordnungsgemäß zu veratmen. Ein Fiat Panda aus dem gleichen Jahr hatte ebenfalls eine Steuerkette. Die leierte über die Jahre aus und rasselte fröhlich vor sich hin. Kein Problem, der Italiener lief trotzdem weiter.

Kostenintensiver ist es damals, einen BMW 520i (Modell E28) zu chauffieren. Dessen Reihensechszylindermotor wird über einen Zahnriemen angetrieben. Zahnriemen oder auch Steuerriemen sind meist aus Kautschuk. In den Zähnen sind Gummi, Chloropren-Kautschuk, Hydrierter Acrylnitrilbutadien-Kautschuk (HNBR) oder Kunststoff (Polyurethan) verarbeitet. Logisch, dass so ein Ding irgendwann ausleiert oder reißt.

Nach maximal 120.000 Kilometern muss der Zahnriemen gewechselt werden. Wenn er reißt, schlagen die Ventile auf die Kolbenböden. Ein kapitaler Motorschaden ist fast immer die Folge. Gut 600 D-Mark (kostet der frühzeitige Wechsel. Teuer ist es schon deshalb, weil beim Zahnriemenwechsel Teile wie Spannrolle, Spanner, Umlenkrolle und Wasserpumpe vorsorglich gleich mit erneuert werden, da sie beim Zahnriemenwechsel besonders leicht zugänglich sind.

In der Vergangenheit gibt es auch Sonderfälle, bei denen ein Zahnriemenriß nicht unbedingt zum Motorschaden führt. Einer dieser sogenannten Freiläufer ist der von 1984-1991 gebaute Volkswagen Golf II mit 1,8-Liter-Motor und 66 kW (90 PS). Seine geringe Verdichtung sorgt bauartbedingt dafür, dass sich Kolben und Ventile erst gar nicht berühren können.

Vor gut 30 Jahren gilt ein Auto mit Steuerkettenantrieb noch als Kauftipp. Denn eine Kette im Motor soll ein Autoleben lang halten. In jedem Fall haben die Besitzer mindestens ein bis zwei teure Werkstattaufenthalte für den Zahnriemenwechsel gespart.

Soweit die graue Theorie: Tatsächlich haben viele Automodelle Probleme mit der Kette: BMW kämpft bei Gebrauchten mit nicht ausreichend arbeitenden Kettenspannern. Mercedes knabbert an abgenagten Zähnen der Nockenwellenräder. Im Jahr 2011 hat der Opel Vectra die »Silberne Zitrone« des Magazins Autobild für das unzuverlässigste Fahrzeug bekommen. Der Grund: Die extreme Häufung von Kettenschäden und kulanzloses Verhalten von Opel. Aktuell ist Volkswagen an der Reihe: Die Steuerketten von Tiguan und Touran 1.4 TSI können verschleißen, längen sich, springen dann über oder reißen. Die Folge: Motorschaden. Kosten ohne Kulanz: 4.000-7.000 Euro. Kaum besser ergeht es den 1.4 TSI-Motoren der Konzernschwestern Audi und Skoda.

Wer sich also für einen Gebrauchtwagen entscheidet, sollte deshalb nicht nur nach Diesel oder Benziner schauen, sondern auch nach dem Antrieb fragen.

Autos mit Zahnriemen verursachen durch den notwendigen Wechsel fast immer teure Werkstattkosten. Allerdings gibt es auch eine ganze Reihe von Automodellen, die zwar auf dem Papier eine wartungsfreie Steuerkette unter der Haube haben, in Praxis aber schon weit vor 100.000 Kilometern kollabieren.

Volkswagen hat deshalb die Steuerkette bei den kleineren Motoren (EA111) wieder abgeschafft: Im Volkswagenmotor EA211 – im VW Up!, Audi A1 und Golf VII – bewegt wieder der gute, alte Zahnriemen die Ventile. Der muss zwar irgendwann teuer gewechselt werden, spart seinem Besitzer aber bis dahin wertvolle Nerven.

Weitersagen

Klicken Sie auf den unteren Button, um die Grafiken von Add To Any zu laden.

Inhalt laden

Share