Synthetische Kraftstoffe als Alternative zur Elektromobilität


0

Der Inhalt des Paketes war sehr ungewöhnlich: Alle mehr als 800 Bundestagsabgeordneten und deutschen Europaabgeordneten erhielten einen 5-Liter-Kraftstoffkanister in ihre Heimatwahlkreise geschickt. Absender der merkwürdigen Lieferung war der UNITI Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen e. V. Die Botschaft der Interessenvertretung mit rund 1.100 Mitgliedsunternehmen auf den – natürlich leeren – schwarzen Kanister lässt sich simpel zusammenfassen: Es gibt in der Energiewende eine Alternative zur Elektromobilität und die heißt E-Fuels, also synthetisch und damit klimaneutral hergestellte flüssige Kraftstoffe.

Die UNITI wertet die Aktion als gelungen. „Das Echo war sehr positiv“, berichtet Verbandspressesprecher Dr. Robert Borsch. Es sei mal etwas ganz anderes gewesen als die sonst übliche Information an die Volksvertreter. Mit unter zehn Prozent Rückläuferquote könne man sehr zufrieden sein. Meist sei einfach die Annahme verweigert worden, das könne auch eine grundsätzliche Einstellung zu unverlangt zugestellten Paketen sein. Jedenfalls habe es nicht einen bösen Brief gegeben, so Borsch. 

Mit einem Beiblatt konnten Studien zu E-Fuels bestellt werden. Davon machten einige Abgeordnete Gebrauch, ja, orderten zum Teil auch größere Stückzahlen. Hauptgeschäftsführer Elmar Kühn hatte danach einige zusätzliche Termine in seinem Kalender, wenn Parlamentarier detaillierter über synthetische Kraftstoffe informiert werden wollten. 


synthetische Kraft- und Brennstoffe,
die treibhausgasneutral
produziert und verwendet werden können.
Mit gleicher Energiedichte
wie Fossile Kraftstoffe
und zu wirtschaftlichen Kosten herstellbar

Doch was sind E-Fuels denn genau? E-Fuels sind synthetische Kraft- und Brennstoffe, die treibhausgasneutral produziert und verwendet werden können. Für ihre Herstellung braucht man Strom aus erneuerbaren Energiequellen sowie Wasser und Kohlenstoffdioxid (CO2). Letzteres gibt es unter anderem durch Verbrennungsprozesse fossiler Energieträger im Überfluss – sonst hätten wir das Problem des Klimawandels in weitaus geringerem Maße. Mittels CO2-Abscheidung wird es aus der Atmosphäre absorbiert oder aber direkt aus den Abgasen – zum Beispiel bei konventionellen Kraftwerken – separiert. Mit regenerativ erzeugtem Strom wird mittels Elektrolyse Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Der Wasserstoff kann direkt zum Betrieb von Wasserstoff-Verbrennungsmotoren oder zum Betrieb von Brennstoffzellen verwendet werden. In beiden Fällen kommt aus dem Auspuff nur Wasser.

Man kann aber auch den Wasserstoff mit CO2 synthetisieren lassen. Dies geschieht über das nach seinen Entwicklern benannte Fischer-Tropsch-Verfahren. Franz Fischer und Hans Tropsch haben bereits 1925 hierfür in Mülheim an der Ruhr die technische Grundlage gelegt. In weiteren Schritten entsteht mit Hilfe von Katalysatoren ein breites Spektrum von gasförmigen und flüssigen Kohlenwasserstoffen – synthetische Kraftstoffe also, oder kurz E-Fuels. Zahlreiche Forschungsprojekte hierzu laufen, erste Praxistests waren bereits erfolgreich. Mittelfristig sollen die ersten industriellen Großanlagen gebaut werden.

 

UNITI-Hauptgeschäftsführer Elmar Kühn gerät regelrecht ins Schwärmen: „E-Fuels sind die einzigen klimaneu-
tralen Kraft- und Brennstoffe, die komplett rückwärtskompatibel sind und daher in sämtlichen weltweit bestehenden Infrastrukturen und Endanwendungen, ganz gleich ob mobil oder stationär, eingesetzt werden können. Sie verfügen über die hohe Energiedichte heutiger fossiler Kraft- und Brennstoffe und sind mittelfristig zu wirtschaftlichen Kosten herstellbar.“ 

Untermauert wird diese Einschätzung durch einige Untersuchungen, so unter anderem seitens der Deutschen-Energie-Agentur (Berlin), des Instituts der Deutschen Wirtschaft (Köln) zusammen mit Frontier economics (Berlin) sowie der Prognos AG (Basel) zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT (Oberhausen) und dem Deutschen Biomasseforschungszentrum DBFZ (Leipzig).

Gegenüber der Elektromobilität hätten E-Fuels einen großen Vorteil: Es gibt für sie bereits eine komplette Infrastruktur, allein in Deutschland gibt es über 14.000 Tankstellen, die nötige Logistik ist vorhanden und praxiserprobt. Der Verbraucher muss sich nicht umstellen. Er tankt einfach wie bisher, nur eben synthetischen Kraftstoff als Ersatz für Diesel oder Benzin. Das bedeutet neben einer kurzen Tankdauer und hohen Reichweite der Fahrzeuge auch eine hohe Akzeptanz durch den gewohnten Tankvorgang. Dies erzeuge laut UNITI-Hauptgeschäftsführer Kühn auch eine viel größere Hebelwirkung als Lösungen, die sich nur auf Emissionen von Neuwagen konzentrierten. „Eine Einsparung von einem Gramm CO2 im Fahrzeugbestand durch Beimischung von E-Fuels ist ebenso effektiv wie eine Reduzierung der CO2-Emissionen von Neuwagen um 20 Gramm“, erläuterte er dem Branchenmagazin „Brennstoffspiegel“. 

Dabei beschränkt sich der Einsatz von E-Fuels nicht allein auf Pkw. Ebenso gut können auch Lkw, Flugzeuge und Schiffe damit betrieben werden. Einsatzbereiche also, wo die Stromer noch lange nicht sind. Da Heizöl das gleiche ist wie Dieselkraftstoff – nur halt anders besteuert –, könnten damit auch die 5 Millionen Ölheizungen in Deutschland befeuert werden. In der chemischen Industrie ist eine Verwendung als Rohöl-Ersatz denkbar. 

In Sachen Umwelt sollen die E-Fuels neben ihrer CO2-Neutralität noch an anderen Stellen punkten: Mit ihnen lässt sich das Speicherproblem in der Energiewende lösen. Die Entsorgungs- und Recyclingschwierigkeiten der batterieelektrischen Mobilität gibt es hier nicht. „Man muss die E-Fuels weltweit produzieren“, erläutert UNITI-Pressesprecher Borsch. Er denkt da in erster Linie an sonnenreiche Länder wie Australien oder auf dem afrikanischen Kontinent und weniger an Deutschland. Dadurch könnte der Ausbau der Windkraft und Photovoltaik in Mitteleuropa maßvoller ausfallen, wodurch die Akzeptanz der Energiewende nicht gefährdet werde. Doch auch hierzulande könnten die Verbreitung von synthetischen Kraft- und Brennstoffen einen Jobboom auslösen – bei Forschung sowie im Maschinen- und Anlagenbau. „Deutschland ist führend in der Elektrolysetechnik“, so Borsch. „Insgesamt 470.800 neue Arbeitsplätze könnten durch E-Fuels entstehen.“ Die Kompetenz im heimischen Motorenbau samt mittelständischer Zuliefererindustrie blieben erhalten und damit Hundertausende von Arbeitsplätzen, erhofft sich die UNITI. 

Ihr Ziel ist die schnelle Markteinführung von E-Fuels als Beimischung Ende 2019/Anfang 2020 und die flächendeckende Versorgung bis 2050. Die erwähnten Studien belegen laut UNITI, dass E-Fuels mittelfristig
für rund 1 Euro pro Liter hergestellt werden können. Damit blieben Kraft- und Brennstoffe für den Verbraucher bezahlbar. 

Mit der Kanister-Kampagne wirbt der Interessenverband nicht nur für Technologieoffenheit, er möchte auch erreichen, dass E-Fuels in der CO2-Bilanz auf die EU-Flottenziele für Pkw und Nutzfahrzeuge angerechnet werden, was bislang nicht der Fall ist. Das entsprechende Gesetz soll in einigen Jahren überprüft und gegebenenfalls anpasst werden. Wer das Brüsseler und Berliner Politikgeschäft kennt, weiß, dass man sich als Interessenvertreter schon früh ins Gespräch bringen muss. Das ist der UNITI auf jeden Fall schon mal gelungen.

Fotos Cutec, Uniti

Weitersagen

Klicken Sie auf den unteren Button, um die Grafiken von Add To Any zu laden.

Inhalt laden

Share