Reifen: Zwischen günstig und billig liegen Welten!


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«Was nichts kostet, taugt nichts!» – kommentiert der Volksmund das Preis-Leistungs-Verhältnis mit wenigen Worten. In vielen Bereichen ist diese Weisheit längst überholt. Bei Autoreifen hingegen scheint sich die allgemeine Lebensweisheit jedoch hartnäckig zu halten, was Tests deutlich bewiesen haben.

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Die KÜS ist Partner der Initiative Reifenqualität des Deutschen Verkehrssicherheitsrates e.V., DVR.  

Autofahren wird immer teurer: Kosten für Kraftstoff, Steuer und Versicherung schröpfen den Autofahrer. Die als hoch eingeschätzten Aufwendungen für Wartung, Reparatur und Ersatzteile bewegen sich indes auf niedrigem Niveau. Es wird gespart, und so treibt der Sparwahn die schönsten Blüten, leider auch die gefährlichsten. Nicht zuletzt bei Reifen treten Autofahrer immer häufiger auf die Kostenbremse. So hat sich beispielsweise die Nutzungsdauer der Pneus deutlich erhöht, wie der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. (BRV) festgestellt hat. Demnach schöpfen Autofahrer das Leistungspotenzial der Reifen bis kurz vor die gesetzliche Mindestprofiltiefe aus, die Nutzungsdauer ist um 14 Prozent gestiegen. Überalterte Reifen mit Vorschäden sind zwischenzeitlich deutlich häufiger anzutreffen als noch vor ein paar Jahren. Zumeist stammen die Pneus, die häufig nur eine schlechte Kopie europäischer Fabrikatsprodukte sind, aus China und werden zunehmend über das Internet vertrieben.

Eindeutig und vernichtend

Fachzeitschriften und der ADAC führten unlängst Testreihen mit billigen «Chinesen» durch. Unabhängig voneinander gelangten sie zum gleichen Tenor: Viele der getesteten Billigreifen sind gefährlich. Im Winterreifentest 2008 urteilte der ADAC «Billig haftet nicht», in seinem Sommerreifentest 2009 hieß es «Billige Reifen taugen nicht zum Sparen». Die Stiftung Warentest bewertete vier No-Name-Reifen mit der Note «mangelhaft», auto motor und sport stellte fest, dass die Pneus «keine Sicherheitsreserven» haben. Weitere Zeitschriften wie Autobild Allrad, Gute Fahrt und ADAC Motorwelt kamen schon 2007 zu dem Urteil: «Schwäche beim Nassbremsen, Schwäche bei Nässe und Schnee, Schwäche bei Nässe.» Trotz schlechter Testergebnisse wären noch immer knapp 20 Prozent der Autofahrer bereit, Billigreifen montieren zu lassen, um Geld zu sparen.

Das Risiko fährt dabei immer mit. Beispiel: Bremsung mit Winterreifen. Während beim Nassbremsvergleich die Premiumreifen aus 80 km/h das Auto nach 39 Metern zum Stehen bringen, benötigt der asiatische Billigreifen einen Bremsweg von 52 Meter. Die Billigreifen sorgen für eine mittlere Verzögerung von 4,4 m/s², die Premiumreifen für 5,8 m/s². Wenn der premiumbereifte Wagen bereits steht, ist der andere noch immer mit rund 30 km/h unterwegs. Noch dramatischer ein Test mit der Ausgangsgeschwindigkeit von 100 km/h, der bereits vor einiger Zeit durch die «Auto Zeitung» durchgeführt wurde. Bei Trockenheit kam das deutsche Premiumprodukt bereits nach knapp 38 Metern zum Stehen, während der chinesisch bereifte Wagen etwas mehr als 44 Meter bis zum Stillstand benötigte. Bei gleicher Ausgangsgeschwindigkeit und nasser Fahrbahn benötigen die deutschen Pneus knapp über 65 Meter bis zum Stillstand – 91 Meter sind es beim Asiaten. Mit über 50 km/h rasen die Chinesen am stehenden Europäer vorbei.

ADAC Sommerreifentest Contidrom Hannover. Aufn. Dat. 04.Oktober 2009

Gerade im Nassbrems-Test haben laut ADAC und zahlreichen Fachzeitschriften asiatische Billigreifen das Nachsehen: Während das mit europäischen Pneus bestückte Referenzfahrzeug bereits steht, hat das asiatisch-bereifte Auto noch reichlich Schwung drauf.

Höhere Vermeidbarkeit

Ein Reifentest erfolgt nicht nur auf der Strecke, sondern auch auf der Rolle. Hier müssen die Probanten definierte Geschwindigkeiten über exakt bestimmte Zeiten aushalten (ECE R30). Ein Reifen der Größe 235/40 ZR95 XL, der gemäß «ZR»-Kennzeichnung für Geschwindigkeiten jenseits von 240 km/h gebaut wird, muss zehn Minuten bei Höchstgeschwindigkeit und zehn Minuten bei 250 km/h aushalten. Bei Billigreifen kam der große Knall nach weniger als zwei Minuten.

Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover stellten gemeinsam mit der Technischen Universität Dresden unlängst fest, dass zahlreiche Unfälle hätten vermieden werden können, wenn ordentliche Reifen im Spiel gewesen wären. Ein Ergebnis der Studie besagt, dass die Reifenqualität sowohl die Kollisionsgeschwindigkeit als auch räumliches und zeitliches Zusammentreffen der Unfallgegner beeinflusst. In 30 Prozent der von beiden Fakultäten untersuchten Unfälle wäre die Kollisionsgeschwindigkeit mit besseren Reifen deutlich geringer, das Unfallausmaß damit erheblich schwächer ausgefallen. Etwa fünf Prozent der Unfälle wären mit «gescheiten» Pneus ganz und gar vermeidbar gewesen. Bei einem Drittel aller Pkw-Unfälle mit Schwerverletzten oder Getöteten hätte die Unfallschwere mit besseren Reifen deutlich verringert werden können.

Das Fazit der Studie ist ebenso ernüchternd wie erschreckend, mit besseren Reifen wären:

– 9,9 Prozent aller Pkw-Fußgänger-Unfälle und 8,1 Prozent aller Pkw-Fußgänger-Unfälle mit Schwerverletzten/Getöteten vermeidbar

– 3,0 Prozent aller Pkw-Pkw-Unfälle
und 6,6 Prozent aller Pkw-Pkw-Unfälle mit Schwerverletzten/Getöteten vermeidbar.

Interview

AvD / Automobilclub von Deutschland

«Vorher informieren»

Gibt es tatsächlich mehr Reifenpannen mit asiatischen Billigreifen als mit europäischen Premiumprodukten? Albrecht Trautzburg, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des AvD nimmt dazu Stellung.


KÜS Magazin: Billigreifen und Reifenpannen – stehen nach Erkenntnis des AvD die beiden Begriffe in direktem Zusammenhang?

Albrecht Trautzburg: Bislang haben wir Reifenpannen nicht in Korrelation zur Marke gesetzt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Billig-reifen ursächlich für eine Panne sind, besteht allerdings: Teilweise hielten sogenannte «Billigreifen» den Anforderungen von einschlägigen Belastungstests nicht stand und es wurden dabei schon Schäden bis hin zum Aufreißen der Karkasse festgestellt.


Wie viele Reifenpannen gehen Ihrer Meinung nach auf das Konto asiatischer Billigreifen?

Zahlen und Statistiken dazu gibt es leider nicht, eine entsprechende Erfassung dieser Fälle ist allerdings auch nicht ganz so einfach, denn Reifenpannen werden leider allzu oft auch durch Fehlbehandlung der Pneus – wie etwa zu niedrigen Reifenluftdruck – hervorgerufen.


Was empfehlen Sie Ihren Mitgliedern, die sich auf der Suche nach günstigen Reifen befinden?

Man sollte nicht an der falschen Stelle sparen, vor allem nicht im Hinblick auf die Verkehrssicherheit. Der Reifen ist DAS Bindeglied zur Straße und mithin ein wesentlicher Faktor. Im Zweifelsfall sollte man lieber etwas mehr für die Anschaffung investieren. Das heißt jedoch nicht, dass ein günstiger Reifen automatisch ein schlechter Reifen ist. Unsere Mitglieder haben natürlich die Möglichkeit, sich vorab über uns zu informieren. Es gibt jedoch bei der hohen Vielfalt an Reifen-Fabrikaten und Reifengrößen nicht zu jedem Produkt Test-ergebnisse. Wie bei allen Anschaffungen gilt: Zeit mitbringen, Angebote sondieren und sorgfältig vergleichen.

Und die Versicherung?

Kommt es zu Reifenschäden und Unfällen, steht die Haftungsfrage ins Haus. Wie Versicherungen das Thema asiatische Billigreifen angehen, hat Christian Lübke, Pressereferent Schaden- und Unfallversicherung beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) erklärt.


KÜS Magazin: Herr Lübke, wie wirkt sich die Verwendung asiatischer Billigreifen auf den Versicherungsschutz von Fahrzeugen aus?

Christian Lübke: Die deutschen Versicherer schreiben Autofahrern nicht vor, welche Reifen sie nutzen sollen – das gilt für die Kfz-Haftpflichtversicherung wie für die Kaskoversicherung. Einzige Bedingung: Die Reifen müssen in einem verkehrssicheren Zustand sein – ebenso wie alle anderen sicherheitsrelevanten Bauteile. Maßgebend ist die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), in der es allgemein heißt: „Bei Kraftfahrzeugen ist die Ausrüstung an die Wetterverhältnisse anzupassen. Hierzu gehören insbesondere eine geeignete Bereifung (…).»

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Kommt es zu Reifenschäden und Unfällen, steht die Haftungsfrage ins Haus. Wie Versicherungen das Thema asiatische Billigreifen angehen, hat Christian Lübke, Pressereferent Schaden- und Unfallversicherung beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) erklärt.

KÜS Magazin: Herr Lübke, wie wirkt sich die Verwendung asiatischer Billigreifen auf den Versicherungsschutz von Fahrzeugen aus?

Christian Lübke: Die deutschen Versicherer schreiben Autofahrern nicht vor, welche Reifen sie nutzen sollen – das gilt für die Kfz-Haftpflichtversicherung wie für die Kaskoversicherung. Einzige Bedingung: Die Reifen müssen in einem verkehrssicheren Zustand sein – ebenso wie alle anderen sicherheitsrelevanten Bauteile. Maßgebend ist die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), in der es allgemein heißt: „Bei Kraftfahrzeugen ist die Ausrüstung an die Wetterverhältnisse anzupassen. Hierzu gehören insbesondere eine geeignete Bereifung (…).“

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Ungleiche Zwillinge konnte der ADAC im Sommer-reifentest 2010 ausmachen. Bis auf einige, unterschiedliche Profilschnitte gibt es zwischen dem asiatischen Billigreifen der Marke „Sunny“ und dem bekannten und bewährten „Dunlop SP 9000“ wenigstens optisch kaum Unterschiede auszumachen.

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