Krankheit und ihre finanziellen Folgen


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In KÜSmagazin 62 und 63 haben wir Gesundheitsschäden sowie Vorbeugungsmöglichkeiten angesprochen. Das Thema hat im Schadensfall eine weitere, unerwartet negative Auswirkung: Es geht um Geld. Geregelt ist das alles im Sozialgesetzbuch, insofern besteht Rechtssicherheit. Aber Unwissenheit kann zu erheblichen Nachteilen führen.

Längere Krankheit

Bei einer Arbeitsunfähigkeit besteht die ersten sechs Wochen Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber. Soweit so gut.
Was dann? Normalerweise, d. h. bei durchgängigem taggenauen Nachweis der Arbeitsunfähigkeit zur gleichen Erkrankung wechselt die Zuständigkeit für die finanzielle Absicherung zur Krankenkasse. Diese zwei Bedingungen müssen erfüllt sein, sonst besteht kein Anspruch.
Man bekommt dann Krankengeld für 78 Wochen (in drei Jahren). Das beträgt 70 % des Bruttoverdienstes, max. 90 % vom Netto. Dieser Betrag verringert sich um weitere ca. 12 % Sozialversicherungsbeiträge, die Auszahlung erfolgt rückwirkend monatlich. Das hat Folgen. Die Auszahlung setzt voraus, dass der zugesandte Antrag auf Krankengeld unverzüglich der Krankenkasse übermittelt wird. Bekommt man die Post z. B. im Krankenhaus nicht, kann aufgrund der Erkrankung nichts tun und hat keine Unterstützung, bricht zu diesem Zeitpunkt der Geldzufluss ab. Zudem ist die Auszahlung nicht sehr zeitnah. Realer Fall: Antragstellung am 22.7., Bestätigung der Kasse am 22.10., Zahlung des Betrages für den Zeitraum bis 31.08.
Ist man geheilt, steht der Arbeitsaufnahme nichts mehr im Wege und die normale Entlohnung setzt wieder ein. Ist das nicht der Fall, ist unbedingt auf die taggenaue Fortführung der AU-Bescheinigung durch den Hausarzt zu achten, sonst steht man ohne Einkommen da.

Arbeitsunfall

Bei der Berufsgenossenschaft ist alles ganz einfach. Liegt kein Schaden vor gemäß der Definition § 8 Abs. 1 SGBVII ist es kein Versicherungsfall. Basta.

Stationäre Rehabilitation

Ist eine Rehabilitation erforderlich wechselt die finanzielle Zuständigkeit zur Rentenversicherung. Die Berechnung des Übergangsgeldes basiert auf dem Regelentgelt (80% vom Brutto, begrenzt auf das Nettoentgelt), davon 68% (mit Kind oder erwerbslosem Pflegefall-Partner 75%). Das Einkommen verringert sich weiter. Sie ahnen es schon – ein Antrag muss her. In diesem Fall der mit der Bezeichnung G0512 der Rentenversicherung.
Dies wird vom Sozialdienst in der Klinik initiiert. In schweren Fällen erfolgt die Meldung und Platzreservierung direkt an die Rehabilitationseinrichtung. Fragt man dann bei der Rentenversicherung nach dem Stand des Antrages, wissen die davon nicht unbedingt etwas. Das irritiert gewaltig!
Die Bestätigung muss spätestens am Entlassungstag vorliegen. Ist dies nicht der Fall, muss noch vor Verlassen des Krankenhauses das Gespräch mit dem Sozialdienst erfolgen und es ist unbedingt erforderlich, hartnäckig dranzubleiben.
Danach ist der sofortige Gang zum Hausarzt noch am Tag der Entlassung nötig, um die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nahtlos fortzuführen.

Nur der Form halber hier zusammengefasst:

– Bei noch laufender Entgeltfortzahlung sind die Formulare G0513, G0514, G0515 und G0518 dem Arbeitgeber zur Genehmigung vorzulegen.
– Bei Krankengeldbezug ist G0518 der Krankenkasse erforderlich.
– Als freiwillig Versicherter sind alle Anträge vom Arbeitgeber und von der Krankenkasse nötig.
– Ist man arbeitslos ist die Arbeitsagentur mit im Boot.
– Im Falle von Schwerbehinderung kommt das entsprechende Recht zum Tragen und damit z. B. die Gemeindeverwaltung. Anträge zum Steuerrecht, Kündigungsschutz, ÖPNV, etc. sind dann zusätzlich zu stellen.

Werden hier Fehler gemacht, sind die finanziellen Folgen erheblich.

Es kommt aber noch besser.

Berufliche Reintegration

Nach der stationären Reha ist in der Regel eine stufige Wiedereingliederung ins Berufsleben erforderlich, auch als BEM (Betriebliches Eingliederungsmanagement) bekannt. Diese umfasst eine zeitliche und belastungsmäßige Steigerung bis zur vollen Arbeitsleistung begleitet durch körperlichen und ggf. psychischen Wiederaufbau in einer ambulanten Einrichtung.
Initiiert wird das zum Ende der stationären Reha durch den Arzt in Form einer Empfehlung an die Rentenversicherung. Umgesetzt wird das von der Sozialberatung der Reha-Klinik. Damit wird die Lohnersatzleistung fortgeschrieben. In der Folge sind wir bei – richtig – einem weiteren Antrag: G0834 an die Rentenversicherung. Dieser wird durch den Reha-Arzt erstellt und ist zu bestätigen durch den Betroffenen sowie den Arbeitgeber.
Die Durchführung ist dann der Höhepunkt der Antragsflut. Beginn- und Endformular, Fahrkostenanträge, periodische Meldeformulare, AU-Bescheinigungen vom Hausarzt, usw. Spätestens an dieser Stelle werden Erinnerungen an den Passierschein A38 in »Asterix erobert Rom« wach.
Mit Ende dieser Phase enden auch die Lohnersatzleistungen. Fairerweise muss gesagt sein, dass die Rentenversicherung das periodische Übergangsgeld zeitnah mit einem durchschnittlichen Verzug von 10 Tagen auszahlt. Die zuständigen Stellen zu erreichen gelingt allerdings nur im Rückrufverfahren, man braucht viel Geduld und Gottvertrauen.

Finanzielle Folgen

Bei sechs Monaten Ausfall ergibt sich ein realer Verlust von 6.000 EUR. Nicht eingerechnet sind Begleitkosten wie persönliche Betreuung, Taxi, etc. Kommt eine missglückte OP dazu, ist man – wie ein betroffener Kunde mir bestätigte – schnell in einen unteren bis mittleren sechsstelligen Bereich.
Abhängig von den privaten Gesundheitsversicherungen (2-Bett, Chefärzte OP und Anästhesie, etc.) kommt noch mal eine erhebliche Summe zusammen, die man ggf. vorstrecken muss.
Immerhin wird man in der Rentenversicherung nachversichert.

Persönliche Folgen

Zu Beginn war der lange Ausfall von sechs Monaten nicht abzusehen. Erst eine schwere Komplikation während der Behandlung führte dazu. Deren Aufarbeitung läuft aktuell, wozu eine Unmenge an Daten erhoben werden. Daher mein Tipp, ein gutes Protokoll zu führen und alle Unterlagen zu sichern.
Entgegen landläufiger Meinung macht es gar keinen Spaß, zuhause oder in der Klinik zur Untätigkeit gezwungen zu sein. Es ist belastend, zu wissen, dass die Kollegen den eigenen Arbeitsumfang mit tragen müssen, dass Kunden nicht persönlich betreut werden können. Die Härte ist es dann, wenn man die Empfehlung bekommt, in Vorruhestand zu gehen. Hier ist die Führungskraft mit einer ihrer vornehmsten Aufgaben gefragt, der Fürsorgepflicht. Der Betroffene muss seinerseits mit offensivem Informationsverhalten vorgehen. Man ist schneller abgeschrieben als man denkt.

Gefahrenpunkt »Nicht rehafähig«

Eine für die zügige Genesung gefährliche Klippe besteht in der Anforderung der Rentenversicherung mit der Verwaltungsbezeichnung »Rehabilitationsfähigkeit«. Die Kriterien sind u. a. die Fähigkeit zum selbständigen Anziehen, Waschen, Essen und Bewegen auf der Station. Ohne diese Befähigung wird man aus dem Krankenhaus nach Hause entlassen. Damit ist die schon erreichte Leistungsfähigkeit (Muskelaufbau, Gelenkbeweglichkeit) dem Verfall hingegeben. In der Folge kann das die zukünftige Lebensqualität und die berufliche Wettbewerbsfähigkeit massiv einschränken!
Tipp: Noch im Krankenhaus alles dransetzen, um die o. g. Fähigkeiten zu erlangen und zu demonstrieren, damit die Bewertung durch den Arzt positiv ausfällt. Dazu mit konstantem Drängeln auf einen zeitnahen Beginn der stationären REHA hinarbeiten (Platzreservierung, Zusage).

Tipps aus eigener Erfahrung

– Ausgleichssport, Bewegung, Vorbeugung sind wichtig.
– Einseitige Fehlbelastung vermeiden, den Arbeitsablauf variieren. Den Arbeitsbereich optimieren, Arbeitsplatzgestaltung mit BG-Tipps.
– Abschluss einer maximal möglichen Tagegeldversicherung und periodische Anpassung und Ansparen einer finanzielle Rücklage in ausreichender Größenordnung (mind. 5.000 EUR).
– Im Fall des Falles sofort eine verwaltungstechnisch versierte Person hinzuziehen.
Anträge zügig stellen, Termine setzen und prüfen, nachfassen und Ergebnisse schriftlich bestätigen lassen.
– Die Krankenkasse intensiv einbinden, Zweitmeinung einholen, einen Qualitätsauditor hinzuziehen, der die veröffentlichten Q-Berichte der Krankenhäuser interpretieren kann.
– Sich zu den Beschwerden selber Wissen aneignen, bei OPs den Arzt als Handwerker sehen und fordern.
– Die Rehabilitation umfänglich nutzen, das Programm eng und intensiv mit dem Reha-Arzt und den Betreuern aufbauen, auf keinen Fall anderen zuliebe drauf verzichten.
– Eine genaue eigene Dokumentation des Verlaufs erstellen, handelnde Personen und das eigene Befinden festhalten.
– Sich selber fordern, aber nicht überfordern.
– Den Chef und die Kollegen periodisch informieren, Kontakt halten, die eigenen Ziele nach der Reintegration kommunizieren.

Geschafft! Danke, dass Sie bis hier durchgehalten haben.
Bleiben Sie aktiv und gesund!

Text Joachim Meise/KÜS
Foto Meise

Literaturtipp:
Günter, der innere Schweinehund

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