«Galeerensklaven» mit Selbstzünder im Heck


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Amphibienfahrzeuge sind ja nun wirklich nichts Neues mehr. Egal ob im privat, wirtschaftlich oder auch militärisch genutzten Bereich sind die schwimmenden, fahrenden, ja mitunter sogar auch flugfähigen Fortbewegungsmittel durchaus alltagstauglich geworden. Und dennoch: auch hier gilt: keine Regel ohne Ausnahme. Alles, was noch nicht da gewesen ist, wird irgendwann einmal erfunden und zu Wasser eingesetzt. In unserem ganz speziellen Falle handelt es sich zwar nicht um ein reines Amphibienfahrzeug. Doch die Kombination, bestehend aus einer fast 2000 Jahre alten Galeere, die zur Not auch ohne Muskelkraft, sondern mit einer modernen Verbrennungsmaschine ihren Vortrieb erfährt, ist eine Weltneuheit. Erfunden, entwickelt und schließlich auch umgesetzt auf der altehrwürdigen Mosella, auf der Mosel, in Trier und jetzt im Heimathafen des malerischen Weindörfchens Trittenheim.

24_X_Weinschiff_1 «Stella Noviomagi», was aus dem Lateinischen übersetzt so viel wie «Stern von Neumagen», bedeutet, ist eine alte römische Handelsgaleere, die Lehrlinge der Handwerkskammer Trier in monatelanger Arbeit zusammen zimmerten. Original nachgebaut nach etwa 1.700 Jahre Vorlagen der alten Römer, bestückt mit gängigen Sicherheitsvorschriften, aber eben auch mit zwei modernen 50 PS starken Dieselmotoren, wenn denn ein «postromanischer» Antrieb aus dem Maschinenraum einmal nötig sein sollte.

Die Galeere, die neben den beiden selbst zündenden Antriebsaggregaten über eine Spezialabdichtung aus Silikon, und Sicherheitswesten für bis zu 50 Passagiere verfügt, gleicht einem alten Weinschiff, das bei Ausgrabungen im römischen Kastell der heutigen Ortschaft Neumagen-Dhron gefunden wurde Der Nachbau des Weinschiffes ist 18 Meter lang, über vier Meter breit und mit zumindest einem von ursprünglich vier 1.000-Liter-Fässern bestückt. Hans-Hermann Kocks, der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Trier, Mitinitiator des Bauprojektes, ist zu Recht stolz auf sein Schiff, denn es galt 400.000 Euro an Sponsorengeldern für die «Stella Noviomagi» zusammenzubringen. Einer der Projektleiter ist der Tischler- und Zimmermeister Andreas Heine, der das waghalsige Projekt von Anfang an navigierte. Er behauptet: «Ein Schiff ist ja eigentlich nichts anderes als ein Dachstuhl – nur eben umgedreht.»

«Ich bin auf das Schiff schon stolz», sagt Heine. «Aber noch stolzer bin ich auf die Jungs – und dass wir das als Team so hingekriegt haben. Das war durchaus nicht immer ein reiner Spaß: Wir haben zum Beispiel drei Wochen lang nur Lamellen zum Leimen geschnitten» berichtet Heine. Da habe er die jungen Leute schon immer wieder neu motivieren müssen. «Aber als es dann immer mehr zum Schiff wurde, da war es fast ein Selbstläufer.» Ganz abgesehen davon, dass die Auszubildenden für den Rest ihres Lebens von dieser Erfahrung zehren dürften. Heine: «Was die in diesen elf Monaten gelernt haben, das ist schon klasse.»

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Der Nachbau motivierte aber auch noch andere zum Mitmachen: Ein echter Altmeister, berichtet HWK-Hauptgeschäftsführer Hans-Hermann Kocks beim festlichen Taufakt, sei während der Bauarbeiten auf dem Kammergelände «einfach nur mal vorbeigekommen, um zu sehen, was sich da tut.» Das war Norbert Alten, ein pensionierter Zimmerer. Als Alten aber gesehen habe, was Heine und seine Lehrlinge da machten, juckte es ihn in den Fingern: Er blieb dabei und half bis zum Schluss ehrenamtlich mit.

Und woher kommt nun der Name? Die Idee dazu, berichtet Josef Peter Mertes, Präsident der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier, habe Karl Krämer gehabt, der ehemalige ADD-Vize. Dessen E-Mail mit dem Namensvorschlag habe er an Willi Herres, Ortsbürgermeister von Neumagen-Dhron weitergeleitet. Der fand den Namen gut – und freut sich nun über das gelungene Projekt: «Ein Traum ist erfüllt.»

Seit Ende September des vergangenen Jahres patrouilliert das traumhafte Meisterstück jetzt auf der Mosel vor Neumagen-Dhron auch für interessierte und geschichtsbewusste Touristen. Auch wenn die beiden Dieselmotoren ihren Betrieb aufgenommen haben, so gäbe es mehr als genug Anwärter auf die insgesamt 42 Galeeren-Ruderplätze. Michael von Scotti, der Vorsitzende des Fördervereins Neumagener Weinschiff e. V erläutert, dass «es ganz schön kompliziert ist, so ein Schiff mit 42 Mann an den Riemen in der Richtung zu halten.»

Wer von den Lesern des KÜS magazins also einmal im Urlaub an der Mosel verweilt, und Lust auf eine Spazierfahrt der ungewöhnlichen Art verspürt, der sollte sich bei der Tourist-Information in Neumagen-Dhron einmal nach der «Stella Noviomagi» erkundigen. Er kann dabei auf seine Muskelkraft vertrauen, sich aber schließlich auch auf die Kraft der beiden Dieselmotoren verlassen. Womit sich der Kreis zwischen Antike und neuzeitlicher Technik auf der Mosel schließt.

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