«Bleib einfach cool, Junge … »


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Der Blick auf die große Tafel an der Tankstelle, an der die Preise angegeben werden: er verhagelt uns nicht nur die Stimmung, er treibt (mitunter) nicht nur den Blutdruck mal wieder unnötig in die Höhe, er lässt uns sehr oft auch einfach an einer nachvollziehbaren Strategie der Mineralöl-Konzerne zweifeln. An einer nachvollziehbaren und an einer akzeptablen. Denn dass mal wieder vor den Wochenenden oder zum Beginn der Ferien wie von Zauberhand der Preis für das Lebenselixier unserer Selbstzünder und Ottomotoren in die Höhe schnellt, ist fast schon zu einem Fakt geworden, nachdem man die Uhr stellen kann.

Alternativfoto 2 Paulsen

Fazit: Der Sprit wird teurer, aber er ist auch endlich. Irgendwann wird er zu Ende sein und dann ist Schluss mit lustig. Und für uns, unsere empfindlichen Nasen, unsere Umwelt, unsere Gesundheit ist das, was da hinten aus den Auspuffrohren raus kommt, auch nicht gerade förderlich. Also heißt es: sparen. Gesagt, getan. Aber so einfach ist das nicht, auch wenn die meisten Autofahrer von sich behaupten werden: «Ein Kinderspiel, das hab ich schnell raus.» Denn

– so wissen wir ja, die Mehrzahl aller Verkehrsteilnehmer ist natürlich davon überzeugt, ein richtig guter Autofahrer zu sein. Wäre doch gelacht …

Einer, der uns «perfekte» Autofahrer in Sachen Sprit sparen erst mal wieder auf den Boden und zurück in die Wirklichkeit holt, ist Jörg Paulsen. Der Hamburger, ein freundlicher, groß gewachsener Mensch mit keckem Bärtchen und «Brilli», ist nicht nur Fahrlehrer, sondern auch Sicherheitstrainer und SWU-Trainer. Bei einem Seminar des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) erklärt uns der Fachmann für sicheres und vernünftiges, aber auch zügiges Fahren die Grundbegriffe angepasster Fahrweise. Sprit sparend fahren, das haben wir eigentlich schnell raus, heißt nicht, dass man zu einem rollenden Verkehrshindernis wird, das die Fahrerinnen oder Fahrer der anschließenden Autos zur schieren Verzweiflung treibt.

Paulsen arbeitet dual: «Bei Führerschein-Neulingen, die zu mir kommen, muss ich keine Fehler ausmerzen. Die lernen sofort nicht nur Verkehrszeichen auswendig und Ähnliches, sondern die eignen sich auch schon ab der ersten Fahrstunde einen Stil an, der möglichst Kraftstoff sparend ist, ohne dabei andere Verkehrsteilnehmer aufzuhalten.» Aber er hat es in seinen Trainingsstunden zum Thema «Sprit sparen» auch mit Leuten zu tun, die seit Jahren, oft schon seit Jahrzehnten, eine Fahrerlaubnis besitzen und nun erst durch den Druck der aktuellen Preissteigerungswelle oder auch wegen ihres ökologisches Gewissens zu der Erkenntnis gekommen sind: «Eigentlich müsste ich an meinem Fahrstil etwas ändern.»

Während wir mit unserem VW Golf durch den Hunsrück fahren und uns nach den Anweisungen des Fachmanns richten («Energiespitzen vermeiden. Früh in den Gängen hoch schalten. Vorausschauend fahren.») erzählt der freundliche Hanseat geduldig aus seiner Praxis. Der Mann muss, dieses Gefühl gewinnen wir gleich, nicht nur ein guter Fahrlehrer, er muss auch Pädagoge und ein bisschen auch einfühlsamer Seelendoktor sein. «Es gibt so viele verschiedene Menschen hinter dem Steuer. Diejenigen, die wissbegierig sind und etwas lernen wollen. Andere, die glauben schon (fast) alles zu können. Man muss, oder man sollte zumindest, in der Lage sein, möglichst schnell zu erkennen, um welchen Typ es sich jeweils handelt…»

Tankvorgang

Während wir also weiter auf den kurvigen Landsträßchen des Hunsrücks unsere Runden drehen, merke ich, dass ich meinen Fahrstil fast unmerklich verändere und Dinge annehme, um die ich mir während der vielen Tausenden von Kilometern pro Jahr nie Gedanken gemacht habe. Und das nach fast 40 Jahren Fahrpraxis. Offensichtlich bin ich aber kein Einzelfall. «Es kommt nicht selten vor, dass Väter oder Mütter von jungen Leuten, die bei mir in der Fahrschule sind, von dem profitieren, was ihr Sohn oder ihre Tochter mit nach Hause gebracht und gelernt hat. Viele kommen dann zu uns zum Spritspar-Training, weil sie sagen: Das ist eine gute Sache.»

Paulsen ist SWU-Trainer. Drei Buchstaben, die das Credo seines Berufsverbandes, der Fahrlehrer-Vereinigung, aber auch das des Deutschen Verkehrssicherheitsrates dokumentieren und manifestieren: «S» wie sicher, «W» wie wirtschaftlich und «U» wie umweltschonend. Eine Art «Fahrer-Evangelium», das in die Tat umgesetzt werden soll. Deswegen, das sagt auch Paulsen, schickten viele Betriebe wie Speditionen oder Fuhrunternehmer ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu solchen Lehrgängen. «Weil sich das gerade bei solchen Betrieben mit einer Kilometerleistung auf die Dauer im Geldbeutel bemerkbar macht und weil auch Berufskraftfahrer noch als Profis in Sachen Sicherheit oder Umweltschutz immer noch dazu lernen können.»

Paulsen bringt, während wir uns nach seinen Anweisungen richten («Gang raus, laufen lassen») auch noch einen anderen Aspekt ins Gespräch, einen zusätzlichen nämlich in Sachen Finanzen: «Fahrzeuge, die sinnvoll bewegt werden, in denen die Gänge nicht hirnlos rauf und runter gejubelt werden, sind weniger reparaturanfällig. Und der Besuch einer Werkstatt kostet nun mal Geld.»

Fahranfängern, also jungen Leuten, so sagt Paulsen, müsse man vor allem eines beibringen: «Sicher, wirtschaftlich und umweltschonend fahren heißt nicht, dass man sich vor den Freunden verstecken muss, weil man einen im jugendlichen Sprachgebrauch sogenannten ‹Opa-Stil› fährt.»

Um das in den Köpfen junger Menschen nachhaltig zu platzieren, hat der DVR auch die Kampagne «Cool fahren – Sprit sparen» ins Leben gerufen. «Wenn junge Menschen, die bei uns das Auto fahren erlernen wollen, erst mal kapiert haben, dass man mit dieser Methode kein Schleicher ist, sondern dass man ganz bewusst und mit Köpfchen fährt, dann hat man schon viel gewonnen. Und gerade in diesen Jahrgängen ist Mundpropaganda sehr wichtig. Denn was Gleichaltrige erzählen, wird immer noch besser angenommen als das, was eine ältere Lehrperson erklärt.»

Unsere Fahrt durch den frühsommerlichen Hunsrück links des Rheins geht allmählich zu Ende. Interessant war es und lehrreich. Und informativ dazu. Weil Paulsen eine Art hat, die nicht «oberlehrerhaft», aber doch sanft und eindringlich erklärend wirkt. Zu «bewussten, gelassenen und entspannten»Verkehrsteilnehmern wolle er seine Schüler – gleich welchen Alters – am Steuer führen. Und als wir wieder am Tagungshotel ankommen, steige ich aus mit zweierlei Erkenntnis: Nämlich einmal der, dass ich in Sachen Sprit sparen noch Dinge gelernt habe, an die ich bewusst nie gedacht habe. Die zweite Erkenntnis ist eigentlich noch viel intensiver, weil man mit ihr nicht gerechnet hat: Es hat nämlich richtigen Spaß gemacht, so zu fahren. Und das sollte man sich auch immer wieder vor Augen führen und es beibehalten. Also: «Cool bleiben, Junge. Egal wie alt Du bist.»

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