Edelstahl für mehr Sicherheit: Neue EU-Richtlinien für Frontbügel


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Als in den frühen Achtzigern der Geländewagen-Boom in Deutschland begann, dauerte es nicht lange, bis auch die Zubehör-Industrie auf den Plan trat. Das Motto lautete damals: Erst die Frontbügel machen aus einem Geländegänger einen «richtigen» Geländewagen. Auch die ersten Spötter ließen nicht lange auf sich warten und titulierten die eisernen Rohrkonstruktionen mit Begriffen wie «Kuhfänger» oder «Elefantenbremse».

Frontbügel-Tests 028

Übernommen wurden diese Frontbügel aus Australien, Neuseeland, Nord- und Südamerika, wo Ranger und Farmer ihre Allradler, Trucks und Pick-ups aus beruflichen Gründen für den harten Alltag damit ausstatteten. Hierzulande formierten sich prompt auch Gegner dieser Gebilde, nachdem eine wissenschaftlich abgesicherte Feldstudie der
Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) das hohe Unfall-Verletzungsrisiko im Kollisionsfalle mit Fußgängern und Radfahrern belegt hatte. Dennoch wurden in Deutschland zunächst keinerlei gesetzliche Maßnahmen ergriffen, um Beschränkungen einzuführen. Ende der Neunzigerjahre kamen die SUV-Fahrzeuge (Sport Utility Vehicle = sportliche Mehrzweckfahrzeuge) auf den Markt. Im Äußeren den Geländewagen ähnelnd, aber familienfreundlicher und komfortabler, doch auch nicht so geländegängig. Und es dauerte nur kurze Zeit, bis auch die Eigner von Kleinlastern und Lieferkombis danach trachteten, deren Blechhaut durch außen angebrachte Rohre gegen Parkplatzrempler und enge Durchfahrten zu schützen.

Ein Riesenmarkt also, für den sich zu fighten lohnte. Entsprechend kräftig und selbstbewusst gab sich somit die Lobby der Bügelhersteller. Zudem kam, dass vonseiten des Verkehrsministeriums zwar Ansätze zur Normung der Bügel erarbeitet, aber nur halbherzig veröffentlicht wurden oder ganz unter Verschluss blieben. Es gab keine klar definierten Prüfkriterien für die Bügel, also durfte jeder sie bauen und verkaufen. So einfach war das. Bis Brüssel als europäisches Technokratenzentrum langsam in die Gänge kam, sich die Unfallanalysen vornahm und begann, Prüfvorschriften und technische Vorgaben zu entwickeln. So entstand die Richtlinie 2005/66/EG zur Vorlage für das Europäische Parlament. Der Rat erließ nun exakt diese Richtlinie am 26. Oktober 2005. Damit wurde die bis dahin geltende, recht wachsweich formulierte Richtlinie 70/156/EWG endlich abgelöst. Doch die neue Richtlinie, gerade erst erlassen, wurde in keinem europäischen Land umgesetzt, auch in der Erwartung weiteren Bürokratieabbaus. In Deutschland gab es dann eine Verordnung auf Verwaltungsebene (Kraftfahrt-Bundesamt KBA), dass
«Kuhfänger» ab 1. Juni 2008 nicht mehr eintragungspflichtig und damit frei verkaufbar wurden. Nun endlich reagierten die Europäischen Behörden.

Die Neuregelung auf europaweiter Ebene wurde im Februar 2009 verabschiedet und soll im November 2009 verbindlich in Kraft treten.

Einige Hersteller von Frontbügeln glaubten damals, diese Vorgaben umgehen zu können, und entwickelten trickreiche Alternativen, schließlich ging es u. a. noch immer um hohes Verletzungsrisiko bei Unfällen. Da wurden zum Beispiel Bügelnachbildungen aus weichem Kunststoff geschaffen, mattschwarz lackiert oder gar verchromt. Sahen nicht gerade schlecht aus, wackelten aber wie Lämmerschwänze. Der Markt nahm diese Kompromissgebilde aber nicht an. Zum Gesetz in Deutschland wurde die neue Richtlinie dann ab dem 25. August 2006, jedoch mit der Einschränkung einer 18-monatigen «Übergangszeit», in der Restbestände verkauft und – ganz legal noch – auch angeschraubt werden durften. Dieser Termin wurde durch aktuelle Erkenntnisse bei den Prüfkriterien erneut um ein Jahr verschoben, sodass die EU-Richtlinie seit dem Februar 2009 in allen EU-Ländern Gültigkeit besitzen sollte. Wie zuvor bereits erklärt, ist nun der November 2009 als endgültiger Termin benannt. Man mag es kaum glauben. Ein Marathon aus Zeit, Expertisen, Versuchen und juristischen Raufereien war beendet. Dazwischen lagen noch Probleme, wer denn die «Prüfhoheit» habe, wer die Prüfanlagen bauen dürfe für die nun «Personenschutzbügel» genannten Stahlrohre. In Deutschland ist für Prüfung und Genehmigung von Frontbügeln die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) zuständig. Zugleich verantwortet sie auch die Kooperation mit den technischen Überwachungsorganisationen der Bundesländer für die Prüfung der Frontbügel und der entsprechenden Prüfanlagen. Die wiederum sind aufwendig und teuer und bedürfen für den Prüfbetrieb ausgewiesener Verfahrenstechniker, Ingenieurwissenschaftler und Materialkundler. Die im bayerischen Fürstenfeldbruck ansässige Herstellerfirma ANTEC war dann als Erste am Bau einer Test- und Messanlage auf eigenem Gelände beteiligt, die den EU-Richtlinien entsprach.

Die neue Generation energieabsorbierender «Personenschutzbügel» erfüllt somit die Grenzwerte bei Aufprallgeschwindigkeit, Verformungsenergie und anderen Kriterien. Wer also sein eigenes Fahrzeug heute mit Frontbügel nachrüsten will, muss folglich EU-zertifizierte Produkte wählen. Andernfalls erlischt die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs, mit allen gesetzlichen und versicherungsrechtlichen Konsequenzen. Zu diesem lebenswichtigen Sicherheitsthema haben sich die Amtsschimmel in Bonn/Berlin und Brüssel über lange Zeit nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

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Ein Kommentar

  1. Tatsächlich wusste ich schon die BASt hier die Prüfhoheit hat. Mein Onkel hat mir erzählt, dass die BASt sogar individuelle Prüfanlagen bauen lassen hat. Ich finde es aber gut, dass in Deutschland derartige Prüfungen von einer staatlichen Institution durchgeführt werden.