Der Vogesen-Kanal: Ein Törn für abenteuerlustige Schleusenliebhaber


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Verehrer von Klaus Kinski haben den Film „Fitzcarraldo“ in der Regie von Werner Herzog mindestens dreimal gesehen. Der Held spielt in diesem Streifen einen opernbegeisterten Abenteurer mit einer wahnsinnigen Idee: Er versucht in Südamerika mit Hilfe von Eingeborenen ein Schiff über einen Berg zu bugsieren. Der Plan gelingt und scheitert am Ende dennoch spektakulär. Ganz so abenteuerlich geht es nicht zu, wenn man heutzutage ein Wasserfahrzeug übers Gebirge bringen will, im konkreten Fall: über die Vogesen.

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Dieses Unternehmen überhaupt zu verwirklichen, ist zum einen Leonardo da Vinci zu verdanken, der 1497 eine Schleuse entwarf, nach deren Grundmuster alle heutigen Kammern gebaut sind: Durch Tore am oberen und unteren Ende kann der Wasserstand ausgeglichen werden, sodass sich das Schiff je nach Fahrtrichtung hebt oder senkt. Der zweite Grund besteht in der Niederlage Frankreichs im Krieg 1870/71 gegen Deutschland mit dem Verlust der östlichen Gebiete Elsass und eines Teils von Lothringen. Um einen Wasserweg nach Süden zu schaffen, gab Paris grünes Licht für einen Kanal über die Vogesen. Als südlicher Teil des Canal de l’Est (Ost-Kanal) wurde er 1882 eröffnet; seit 2003 trägt er den wohlklingenderen Namen Canal des Vosges (Vogesen-Kanal).

Wer das Gebirge überwinden will, muss in jedem Falle einen längeren Anlauf nehmen – Charterboote sind nicht unmittelbar am Fuße der Vogesen zu mieten: Sechs Veranstalter haben sich westlich von Straßburg am Rhein-Marne-Kanal, kurz vor Nancy niedergelassen.

Der Vogesen-Kanal beginnt bei dem lothringischen Ort Neuves-Maisons und folgt bis zur Stadt Épinal dem Tal der oberen Mosel. Der Fluss wird als erste kleine Sensation auf einer rund achtzig Meter langen Brücke überquert: auf dem Wasser übers Wasser! Die 45 Schleusen bis zum Scheitel des Gebirges sind alle jeweils drei Meter hoch – ganz oben haben Schiff und Besatzung einen Höhenunterschied von 135 Meter überwunden. Das ist heutzutage keine Schwerarbeit mehr, denn alle Schleusen sind elektrifiziert. Das hat nicht nur Vorteile, denn die Technik mit einer Fernbedienung vom Boot aus klappt nicht immer reibungslos. Manchmal kann sich die Elektronik nicht sofort entscheiden, ob sie ihren Dienst verrichten will oder nicht und treibt ihre Späße. Wenn die Besatzung gerade beschlossen hat, den technischen Dienst herbeizurufen, öffnet sich das Tor wie von Geisterhand. Zweimal hat das nicht geklappt – bei insgesamt neunzig Schleusen. Die ebenso freundlichen wie hilfsbereiten Männer der Kanalbehörde kamen nach spätestens zwanzig Minuten angefahren.

Der Vogesen-Kanal unterscheidet sich von manch anderer künstlicher Wasserstraße in Frankreich durch seine landschaftliche Schönheit: Er ist nicht mit dem Lineal in die Landschaft gezogen, sondern folgt dem Verlauf waldreicher Täler. Die füllt er am westlichen Gebirgshang teilweise sogar völlig aus, weil seine Erbauer keinen Kanal gegraben, sondern enge Bachläufe einfach aufgestaut haben.

Schleusen kann Spaß machen und das schwebende Aufsteigen auf dem Wasserspiegel sogar süchtig. Aber natürlich sitzt keine Besatzung dieser Welt als Selbstzweck nur auf dem Kahn. Städtische Landgänge sind unterwegs möglich in Épinal und Charmes, dessen Bewohner ihrem Namen alle Ehre machen, obwohl ihnen die Deutschen im 2. Weltkrieg übel mitgespielt haben.

Auch die ländliche Herberge „Les 7 Pêcheurs“ mit freundlicher Wirtin und schmackhafter Kost mitten im Wald nahe der Schleuse 16 bei Mélomenil lohnt einen Halt.

Mehr Informationen

Die Firma Kuhnle-Tours bietet Einweg-fahrten über die Vogesen von Niderviller nach Pontailler und umgekehrt an.
www.kuhnle-tours.de

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