Brügge: Kunst und Kulinarik in der Schokoladen-Hauptstadt


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«Brügge sehen … und sterben?» Die Idee zu seinem Spielfilm hatte Martin McDonagh, der britische Regisseur und Drehbuchautor, nachdem er selbst einige Tage in der selbsternannten belgischen Hauptstadt der Schokolade verbrachte. Eine der schwärzesten Komödien, die je produziert wurden, stimmt auf das monumentale Brügge ein. Mit seinen mittelalterlichen Giebelhäusern, Prachtbauten wie dem Belfried, dem Provinzialpalast oder dem gotischen Rathaus, den verwinkelten Gässchen und verträumten Grachten ist Brügge die perfekte Kulisse für den Hollywood-Streifen. Europas Kulturhauptstadt des Jahres 2002, deren historische Altstadt seit dem Jahr 2000 als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO steht, gilt als die schönste Stadt in Flandern. Dem westgermanischen «Brügge» für «Brücke» hat die beschauliche 117.000-Einwohner-Stadt ihren Namen zu verdanken. 2012 gibt's mehrere Brückentage, die sich für einen Kurzurlaub im flandrischen Brügge eignen.

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The Chocolate Line ist eine von 52 Chocolaterien in Brügge.

Das ganze Jahr über duftet Brügge nach Schokolade. Von seiner verführerischen Seite lernt man das «Venedig des Nordens» bei zweistündigen Stadtrundgängen unter dem Motto «Choc! Around the Clock» kennen. Gemeint ist damit Belfried, der Glockenturm und Wahrzeichen der mittelalterlichen Stadt. Der Glockenturm ist 83 Meter hoch und über 366 Stufen der engen Wendeltreppe kann man, wenn man will, die Spitze des Turms erklimmen. Unterwegs passiert man das Glockenspiel mit 47 Glocken. Der Panoramablick auf die Altstadt mit seinen Grachten und das Umland ist atemberaubend. Durchzogen von zahlreichen Kanälen, von denen morgens und abends sanfter Nebel aufsteig

t, ist Brügge nicht nur auf den gepflasterten Straßen, sondern auch per Bootstour zu erkunden. Die unerwartete Ruhe hier oben ist einmalig, trotz der vielen Touristen, die sich unten am Grote Markt tummeln. Die Grand Place mit dem gotischen Rathaus und das Ensemble der Zunft- und Gildehäuser mit barocken Fassaden gilt als einer der schönsten Marktplätze der Welt.

Ab dem frühen Mittelalter war Brügge der wichtigste Seehafen Europas.

Im 13. und 14. Jahrhundert entwickelte sich die reiche Hansestadt zum Bindeglied zwischen Venedig und den deutschen Hansestädten. Damals gab es noch eine direkte Wasserverbindung von der Nordsee zum zentralen Marktplatz. Als diese im Laufe der Zeit versandete, verarmte die Stadt und erlebte im 15. Jahrhundert als einer der größten Hansestädte das Ende ihrer Blütezeit. Seit dieser Zeit blieb der mittelalterliche Stadtkern nahezu intakt. Das historische Kleinod verpasste später die industrielle Revolution.

Ende des Mittelalters machten sich einige Brügger Familien auf die Suche nach neuen Handelsquellen und importierten Zuckerrohr aus Madeira. Als dann spanische Entdecker im 16. Jahrhundert Kakao mit nach Europa brachten, kam man recht bald zu dem Entschluss, beide Zutaten miteinander zu vermischen. Schon damals entwickelte sich Brügge zur Schokoladenhauptstadt.

Charakteristisch für die traditionellen belgischen Pralinen sind ihre weichen, luftigen Füllungen – aus leicht aufgeschlagener Crème fraîche zum Beispiel, aus Crème au beurre, Sabayon, Trüffel- oder Nusspasten. Jean Neuhaus, so heißt es, war der Erste, der diese Art von «chocolats» kreierte. Jeans Großvater, gebürtig in der Schweiz, hatte in Brüssel eine Confiserie pharmaceutique eröffnet, in der er selbst gemachte Hustenbonbons, Lakritze und bittere Schokoriegel vertrieb. 1912 übernimmt Jean Neuhaus junior, der Enkel des Gründers, die Geschäfte. Er gibt sich ganz seiner Kreativität hin und kreiert gefüllte Schokoladenbissen, den er «Praliné» nennt.

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Die mittelalterlichen Häuserzeilen laden zum Fotografieren ein.

52 Schokoladengeschäfte zählt man in der historischen Altstadt und in jedem gibt es handwerklich hergestellte Eigenerzeugnisse in Topqualität zu kaufen. «Sukerbuyc», auf deutsch «Zuckerbauch», war die erste Chocolaterie in Brügge. Ich durfte dort Kristof Derykere bei der Schokoladenherstellung zuschauen. Eine aufwendige Prozedur, da alles handgemacht wird. Lediglich den «Teig» halten Maschinen bei konstanter Temperatur von 28,5 Grad Celsius in Bewegung. Und sie müssen die Luftblasen herausrütteln, die beim Einfüllen in die Schablonen entstehen. 2010 bei der EXPO in Shanghai hat Sukerbuyc im belgischen Pavillon seine große Präsentation gehabt.

Die verführerischen Auslagen der Geschäfte sind kleine Kunstwerke. «Schock-o-latier» Dominique Persoone hat die wohl spleenigste Schokoladen-Boutique der Stadt mit Schoko-Lippenstiften, Wasabi- und Knoblauchpralinen. Schoko durch die Nase? Das geht wohl nur in Brügge. Persoone, ein Freund der Rolling Stones, dachte sich für seine Musikerfreunde diese Schnupfmaschine aus. Der mutige Schoko-Schöpfer mischt unter eine Prise Kakaobutter einen geheimen Tabak. Wie beim Schnupftabak hält man den Chocolate Shooter unter die Nase, löst aus und inhaliert zugleich tief. Persoone ist mit «The Chocolate Line» eine von drei Chocolaterien, die im Guide Michelin vertreten sind.

Während des «Choc’in Brugge-Festivals» wird das Angebot rund um Schokolade um einige Highlights erweitert. 14 Top-Köche kreieren spezielle Schoko-Menüs und sieben Meisterköche bieten zusätzlich vertiefende Workshops zum Thema «Kochen mit Schokolade» an. Geert Van Hecke, der Chefkoch im «De Karmeliet» kann stolz drei Michelin-Sterne und 18 von 20 Gault & Millau-Punkten vorweisen. Wer sein 100-Euro-Menü genießen will, sollte sich wochenlang vorher anmelden. Ich bin zu Gast bei Kristof Deprez in der «Mangerie». Der junge Küchenchef, der sich bei der Zubereitung über die Schulter schauen lässt, bereitet Hummer mit Mangocrème, eine Lauch-Soja-Mayonnaise sowie einen mit Artischocken verfeinerten und in Kakaobohnen geräucherten Fasan zu, alles verfeinert mit Zartbitterschokolade. «Die Schokolade ist dabei wenig dominant, verleiht dem Essen aber eine raffinierte Note», erklärt mir Kristof Deprez.

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Innerhalb des fünfwöchigen Festivals «Choc’in Brugge», das alle zwei Jahre – 2013 das nächste Mal – stattfindet, lohnt auch ein Besuch der Fachmesse Choco-Laté. An drei Tagen zeigen die besten Chocolatiers, Zuckerbäcker, Bäcker und Köche in den Hallen des Belfried ihr Können und informieren über neue Trends. «Bei hochwertiger Schokolade liegt der Kakaoanteil zwischen 60 und 70 Prozent», betonen die Experten. Die weiße Schokolade im klassischen Sinne ist eigentlich keine Schokolade und enthält keinen Kakao, nur viel Zucker und Kakaobutter. Sollte ein «Schleckermaul» nicht bis zum nächsten Festival warten wollen, so ist das nicht weiter schlimm. Die Chocolatiers haben ganzjährig geöffnet und einige Restaurants offerieren das ganze Jahr über ihre speziellen Schoko-Menüs.

Brügge hat auch eine eigene Praline – den Brügger Schwan oder original «Brugsch Swaentje», das kalorienreiche Wappentier der Stadt. Es ist eine Praline in Form eines Schwans mit einer Hülle aus dunkler, weißer oder Milchschokolade und einer ganz speziellen Pralinéfüllung. Ein Franzose soll verantwortlich für ihren Namen sein; ein Schweizer machte sie in ihrer heutigen Form berühmt. Wie dem auch sei: Für Flamen und Wallonen ist die Praline jedenfalls eine Belgierin.

Laut dem Michelin-Führer, ist Belgien das Land mit den meisten Sternen pro Quadratkilometer und ein nicht unbedeutender Teil davon liegt in Flandern. Einer der Gründe, warum gerade hier die Gourmettempel wie Pilze aus dem Boden schießen, ist wohl die einzigartige Mischung aus der Lust am Genuss und dem Ehrgeiz, aus allem das Beste zu machen. Dabei ist die flämische Küche genauso vielfältig und bunt wie die Geschichte des Landes.

Und dazu zählt ein Küchengerät, das als historische «Frituur» selbst im ältesten Haus von Brügge untergebracht ist. Die goldgelb frittierten, kohlehydratreichen Kartoffelstäbchen sind Kulturgut in Flandern und deshalb gibt es als Kontrast zu den Gourmetadressen in Brügge auch das weltweit einzige «Frittenmuseum».

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Der Belfried überragt die bunten Häuserfassaden.

Informationen

Tourismus Flandern-Brüssel

Belgisches Haus
Cäcilienstraße 46, 50667 Köln
Telefon 0221-2709770

Toerisme Brugge

Postbus 744, 8000 Brugge
Telefon 0032 – 504 44 646
www.flandern.com

Brügge zum Freundschaftspreis entdecken

Mit der Brugge City Card gibt es freien Eintritt zu 23 Museen und Sehenswürdigkeiten, Gratisrundfahrt auf den Grachten, 25 % Rabatt auf Konzerte, Theatervorstellungen, Leihfahrrad, Stellplatz im Parkhaus (48 Std./34 Euro, 72 Std./39 Euro). 6 Euro kostet ein Dreitagepass von De Lijn, gültig für die Bus- und Straßenbahnverbindungen in ganz Flandern.

Anreise

Von Brüssel aus über die Autobahn E 40 in knapp einer Stunde zu erreichen. Alternativ mit dem ICE oder Thalys von Köln via Brüssel-Midi, von wo stündlich Anschluss nach Brügge besteht.

Für Gourmets und Naschkatzen

Übernachten

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