Wird bei der planerischen Gestaltung unserer Innenstädte auf die Bedürfnisse der Radfahrer Rücksicht genommen? Werden Gefährdungspotentiale vermieden oder zumindest ansatzweise beseitigt? Darauf gab ein Seminar des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) Auskunft.
Wer den Referenten Franz P. Linder vom Kölner „Planerbüro Südstadt“ am Rednerpult sah, der nahm dem Mann den Pedaleur auf den ersten Blick ab: Sportliche Funktionskleidung, an seinem Stuhl im Plenum der kleine Rucksack für den täglichen Bedarf. Fehlten eigentlich nur die früher obligatorischen Fahrradklammern an den Hosen.
Aber das war einmal. Genauso wie die Mär von der heilen Welt auf unseren Straßen, wenn es um die Fortbewegung auf zwei Rädern geht. Einer schimpft über den Anderen (wenn es dabei bleibt), jeder fordert mehr Raum und Rechte ein, macht gesundheitliche Risiken für sich geltend. Nein, Spaß macht das schon lange keinen mehr. Also, was tun?
Selbst größere Verkehrsachsen mit breiten Fahrspuren böten oft kaum noch Schutz und Sicherheit: Häufig werde in zweiter Reihe geparkt. „Wenn man da mit dem Rad unterwegs ist, wird es kritisch zwischen den Autos. Von normalem Vorwärtskommen kaum noch die Rede, jeder boxt sich irgendwie durch.“ Eine Menge aktiver Menschen, die eigentlich gerne mit dem Rad unterwegs wären, hätten genau vor solchen Situationen Angst.
Jeder fordert mehr Raum und Rechte ein. Spaß macht das schon lange keinen mehr.
Aber – und das ist das absurde und gleichzeitig Bedauerliche – auch andersrum wird ein Schuh draus. So habe sich ein Münchener Taxifahrer darüber echauffiert, dass „die Radler mit einem Affenzahn vor einem einscheren, von den Bürgersteigen auf die Straße sausen oder die Seiten wechseln, ohne das vorher auch nur im Geringsten anzuzeigen.“ Da sei es ja kein Wunder, dass man da mal einen „auf die Schippe nehme“. So schnell könne ja schließlich kein Mensch reagieren.
Also, so Linder, müsse „ein neuer Konzeptansatz“ her. Einer, der die wachsende Bedeutung und Funktion des Radverkehrs neu definiere. Der von ihm und seinem Büro präsentierte und erläuterte Radverkehr 3.0 solle kein Allheilmittel sein, keine selig machende Bibel der gemeinsamen Nutzung unserer Straßen, Wege, Plätze und auch – nicht zu vergessen – Abstellmöglichkeiten. Aber er soll zumindest einen „Perspektivenwechsel in der Ausgestaltung der Verkehrs-
infrastruktur nahe legen.
Was auf den ersten Blick ziemlich verschwurbelt klingt, heißt nichts Anderes, als dass man den vorhandenen Raum für Autos, Busse, Fahrräder und auch Fußgänger entzerren müsse. Denn, so Linder: Der Individualverkehr mit dem eigenen Auto in der Innenstadt sei längst an seinen Grenzen (teils auch schon erheblich darüber hinaus) angekommen. Wer überhaupt noch vorwärts komme, der sei oft nicht mehr in der Lage, sein Fahrzeug irgendwo (wenn auch kostenpflichtig) abzustellen. Einfach, weil es schlicht und ergreifend am Raum dafür mangele.
Der Wille zur Lösung des Problems auf Sicht und auf Kontinuität von beiden Seiten müsse von innen heraus kommen. Von den Kommunen, den Städten, den Verbänden, den verkehrsplanerischen Gestaltern. Regionale und kommunale Radschnellwege, die auch das Umland an die urbanen Zentren anbänden, böten auch neue Chancen und Potentiale für beide Seiten. Zufußgehen und Radfahren müsse, so Linder, selbstverständlich gemacht und „Nahmobilität zur Basismobilität“ gemacht werden.
Alles schöne, hehre Worte. Nur leider sieht die Realität im Moment noch reichlich anders aus.