Helmpflicht auf dem Fahrrad – mit oder ohne?


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Bevormundung oder freie Entscheidung? – Zwang zur Einsicht in die Notwendigkeit oder doch stichhaltige Argumente dagegen? Die Diskussion um das Für und Wider der Helmpflicht für Radfahrer und das spektakuläre Urteil des Bundesgerichtshofes zu diesem Thema vor wenigen Wochen haben die Gemüter erhitzt.

Zum einen, weil die Zahl der Freizeit-, Alltags- und sportlich ambitionierten Radler immer größer wird. Aber auch, weil die Frage „oben mit oder oben ohne“ für viele Radler wirklich zum Evangelium zu werden droht und die gesellschaftliche Meinung spaltet. Die Grundsatzfrage: Muss man in Deutschland wirklich alles reglementieren, vorschreiben, in Gesetzesform pressen oder genügt es mitunter auch, sich auf den gesunden Menschenverstand und dessen segensreiche Auswirkungen zu verlassen?

Zum Hintergrund: Der Bundesgerichtshof hatte einer 61-jährigen Klägerin recht gegeben, die im Jahr 2011 auf dem Weg zu ihrer Praxis war, als eine im Halteverbot stehende Autofahrerin plötzlich die Wagentür öffnete. Die Radfahrerin zog sich einen zweifachen Schädelbruch, Hirnquetschungen und Blutungen zu. Obwohl sie nicht für den Unfall verantwortlich war, gab ihr ein Oberlandesgericht zunächst eine 20-prozentige Mitschuld – weil sie keinen Helm trug, der die Kopfverletzungen hätte verhindern können. Doch der BGH urteilte, wie inzwischen bekannt, anders. Das Ergebnis: Radfahrer haben auch ohne Helm bei unverschuldeten Unfällen vollen Anspruch auf Schadenersatz.

Es gab viel Aufregung nach diesem Spruch und es gibt immer noch viele Diskussionen um Für und Wider der Helmpflicht. Gestritten wird auch darüber, ob man Radfahrer per Dekret zum Tragen eines Helms zwingen kann, muss oder darf. Dr. Bertil Bouillon, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, steht auf dem Standpunkt: Man kann zwar jedem Radfahrer empfehlen, einen Helm zu tragen, doch eine gesetzliche Pflicht zum Tragen des Kopfschutzes hält er für unangemessen: Auch Fußgänger, die häufig in Verkehrsunfälle verwickelt seien, unterlägen keiner Helmpflicht. Wo aber ist die Grenze? Kopfverletzungen sind mit etwa 25 Prozent zudem nicht die häufigste Folge von Unfällen mit dem Rad. Knie, Ellenbogen oder Schlüsselbeine sind viel häufiger in Mitleidenschaft gezogen. Sinnvoll sei der Kopfschutz bei ungeübten Radfahrern wie Kindern oder älteren Menschen. „Der Helm verhindert zwar keine Unfälle, mildert jedoch die Schwere der Verletzungen.“

Letzteres bekräftigt auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR), der nach dem BGH-Urteil auf ein gemeinschaftliches Urteil etlicher Experten verweist: „Das Tragen eines Fahrradhelms erhöht die Chance, einen Unfall mit einer geringeren Kopfverletzung zu überstehen“, heißt es darin. Eine Empfehlung, die auch der DVR ausspricht.

Das Problem besteht größtenteils aber auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Viele Deutsche sind wahre „Helmmuffel.“ Während die Quote der Helmträger bei Kindern etwa 75 Prozent beträgt, sind es bei Erwachsenen über 30 Jahren gerade mal 15 Prozent. Weitere Präventionsarbeit, so DVR-Präsident Dr. Walter Eichendrof, sei notwendig, denn: „Hirn-verletzungen können deutlich reduziert werden, wenn bei einem Unfall ein Helm getragen wird.“

Vielleicht reicht ja mitunter auch wirklich mal das eigene Urteilsvermögen aus, um sich über persönliche Konsequenzen klar zu werden, bevor das Kind in den Brunnen oder der Fahrer vom Rad gefallen ist. Oder sollte das auch im 21. Jahrhundert noch an der viel zitierten Obrigkeits-Hörigkeit der Deutschen scheitern?

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