Fahrzeug für Federvieh


Designer Jan Kaupa und sein Einhuhn-Wagen

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Was aussieht wie ein silbernes Ufo, hier auf der Wiese hinter einem Haus im Tübinger Umland, ist sowas wie ein Ei-Car – und drum herum stolziert ein halbes Dutzend Zwergseidenhühner.

Das kommt dabei heraus, wenn ein Autodesigner an seine Haustiere denkt: Jan Kaupas Einhuhn-Wagen ist so etwas wie der Mercedes EQC unter den mobilen Hühner-Ställen

Der Mann, der das entworfen hat, ist durchaus vom Fach. Als Designer zeichnet Jan Kaupa bei Mercedes in Sindelfingen an den Modellen der Zukunft. Doch weil er schon seit seiner Kindheit auch Hühner züchtet und während der Pandemie das Freizeitangebot eher eingeschränkt war, hat er für sein Federvieh nach Feierabend ein einzigartiges Fahrzeug entworfen. Denn auch wenn die meisten Hühner im Stall gehalten werden, kam eine Immobilie für ihn nicht in Frage. Erstens, weil er eben Autodesigner ist und nicht Architekt, und zweitens, weil Hühner jede Wiese in wenigen Wochen in einen Acker verwandeln und deshalb öfter umziehen müssen. „Und das geht nun einmal leichter, wenn der Stall auf Rädern steht“, sagt Kaupa.
Tagsüber Luxusliner, abends ein Heim für Hühner – beim Letztgenannten ist die Zielgruppe eine andere, doch der Anspruch identisch: Auch das Hühnermobil ist durchgestylt, nachhaltig und ziemlich luxuriös. Wenn es so etwas wie „Sensual Purity“ aus dem Mercedes-Design-Codex auch auf dem Hühnerhof gibt, dann in Kaupas Garten. Dafür hat er aber auch reichlich Zeit und noch mehr Denkarbeit investiert. Über zwei Jahre lang hat er gezeichnet und getüftelt, laminiert und konstruiert und den ganzen Sommer über hat er am 3D-Drucker und in der Schreinerei eines Freundes gestanden, bis sein Hühnerwagen endlich fertig war.
Seitdem steht in seinem Garten eine Art UFO aus Holz und Kunststoff, das groß ist wie ein Einkaufswagen und, je nach Rasse, Platz bietet für drei bis fünf Vögel. Ohne Schrauben und Werkzeug in wenigen Minuten zusammengesteckt, ist es ein mobiler Stall der Luxusklasse mit transparenten Eckprofilen fürs Ambientelicht, mit Legenest und Stange für den nötigen Sitzkomfort, mit zugfreier Belüftung und einer Zeitschaltuhr für den geregelte Freigang. Und nachhaltig es ist natürlich auch: Denn gedruckt wird der Wagen aus recyceltem Kunststoff, das Holz ist entsprechend zertifiziert und die Beleuchtung wird von einer Solarzelle auf dem Dach gespeist.
Findet sowas sein Publikum? Sicher, zu allererst ging es Kaupa um das Wohl des eigenen Federviehs. Doch womöglich werden bald auch andere Hühner in den luxuriösen Genuss kommen. Denn Klima-Krise und Pandemie hätten das Bewusstsein vieler Menschen verändert, man lebe achtsamer, ernähre sich bewusster, kaufe regionaler, hat der Designer beobachtet: „Und statt ihre Eier beim Bauern zu holen, halten mittlerweile viele Berufspendler hier draußen auf dem Land schon wieder ihre eigenen Hühner.“ Und brauchen dafür natürlich auch den passenden Wagen. Fahrzeug für Federvieh eben.

Text & Fotos SP-X/Benjamin Bessinger

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