Jussi Adler-Olsen, Jahrgang 1950, studierte Medizin, Soziologie, Politische Geschichte und Film. Bevor er 1995 mit dem Schreiben begann, arbeitete er unter anderem als Redakteur und Aufsichtsrats-Vorsitzender bei verschiedenen Energiekonzernen. 1997 erschien sein erster Roman, seit 2007 veröffentlicht er die Thriller um den Ermittler Carl Môrck.
Im Deutschen Taschenbuch Verlag (dtv) sind lieferbar: «Erbarmen» (2009) und «Schändung» (2010). Carl Môrcks dritter Fall «Erlösung» erscheint bei dtv im Juli 2011.
Jussi Adler-Olsen, wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Als Betreuer von Jugendlichen war ich einmal in einem Einsatz, sehr abgeschieden «vom Rest der Welt». Da konnte man sich letztlich nur gegenseitig Geschichten erzählen zur Unterhaltung. Und manchmal musste man sich auch gegenseitig wach halten. Und meinen Kollegen konnte ich wach halten, indem ich Geschichten erzählte. Das stellte sich damals heraus. Aber um als Schriftsteller vom Schreiben zu leben, dazu braucht man Mut, das ist ein Risiko, deswegen habe ich damit so lange gewartet.
Hat Ihr Ermittler Carl Môrck ein Vorbild?
Sogar zwei. Dazu muss man wissen, dass mein Vater Psychiater war – und er erlaubte mir, dem kleinen Jungen, mich auf der Station frei zu bewegen, die er als Arzt betreute. Dafür bin ich ihm bis heute sehr dankbar. So hatte ich im Alter von sechs Jahren, einen guten Freund, der Psychiatriepatient auf der Station meines Vaters war. Dieser Patient war der Typ «netter, freundlicher Mörder». Er dürfte damals so um die 60 gewesen sein, und er schenkte mir zum Beispiel ein Kätzchen. Seit dieser Begegnung fasziniert mich das Böse und das Gute, wie es in einer einzigen Person vereint ist. Und ich fürchte mich nicht vor dem Bösen im Menschen. Das zweite reale Vorbild für Carl bin ich selbst. Ich bin immer ehrlich zu anderen Menschen, so wie Carl – aber Carl ist immer sehr direkt, sehr frei heraus, ich bringe viel mehr Empathie auf. Und ich kann dabei das Positive in meinem Gegenüber stärker hervorbringen.
Warum ist Ihnen die Empathie so
besonders wichtig?
Es liegt wohl in der Natur des Menschen, dass wir oft nach «ausgleichender Gerechtigkeit» suchen oder nach «Vergeltung» und dergleichen. Aber mir
kommt es darauf an, Empathie im Leser zu erzeugen, zum Beispiel für Menschen wie Carl. Ich wünsche mir, dass ich die Menschen hinter die Stirn meiner Figuren mitnehmen kann, in deren Gedankenwelt, also die Empathie der Leser für meine Charaktere wecke. Ich beschreibe die Figuren deshalb auch nicht detailliert, sondern nur das, was sie tun.
Gerade die Thriller um Carl Môrck bringen es mit sich, dass Sie viel unterwegs sind. Wie reisen Sie am liebsten?
Ich fahre sehr gerne mit dem Zug. In Dänemark, wo ich lebe, lassen sich viele Strecken problemlos mit der Bahn bewältigen. Autos sind generell in Dänemark wesentlich teurer als in Deutschland, bis zu dreimal so teuer. Ich selbst fahre einen Citroën Picasso. Würde ich in Deutschland leben, dann wäre mein liebstes Auto ein Mercedes, ein Diesel mit maximal 2.2 Litern Hubraum, mit weißen Ledersitzen und einer Karosseriefarbe, wie es sie bei Mercedes noch nie gab. Und ein leiser Motor wäre mir wichtig, weil ich laute Motorengeräusche während der Fahrt sehr irritierend finde.
Jussi Adler-Olsen, vielen Dank für den Zwischenstopp.
Im Deutschen Taschenbuch Verlag (dtv) sind lieferbar: „Erbarmen“ (2009) und „Schändung“ (2010). Carl Mørcks dritter Fall „Erlösung“ erscheint bei dtv im Juli 2011.