Timmelsjoch-Museum: 230 historische Motorräder mit Alpenpanorama


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Bei „Flying Merkel“ muss man unweigerlich an unsere Bundeskanzlerin denken – auch wenn das so recht gar nicht zusammenpassen will und man den Schriftzug zudem in Österreich entdeckt. Hat es auch nicht! Flying Merkel ist ein Motorrad aus den frühen Jahren des vorigen Jahrhunderts. Es ist eines von 230 Exponaten eines neuen Motorradmuseums, das sowohl durch die Architektur, das Ambiente als auch von den teilweise sehr exklusiven Ausstellungsstücken besticht.

Zufällig vorbei kommt man an diesem Museum wohl nicht. Es wurde komplett neu errichtet am Timmelsjoch, einer etwas abgelegenen Passstraße, die das österreichische Ötztal mit dem italienischen Meran verbindet. Übrigens eine schöne Alternative, wenn auf dem Brenner mal wieder gar nichts geht. Passstraße, da leuchten die Augen eines jeden Motorradfahrers. Nirgendwo sonst machen Kurven soviel Spaß. Da bietet sich ein Motorradmuseum als Pause förmlich an. Dachten sich auch Alban und Attila Scheiber aus Hochgurgl. Die beiden sind Haupteigentümer der Timmelsjoch Hochalpenstraße, dazu Hoteliers, Skischulbetreiber und Seilbahnunternehmer. In den zurückliegenden Jahren hatten sie eine der umfangreichsten und kostbarsten Sammlungen von historischen und klassischen Motorrädern in der Alpenrepublik zusammengetragen.

Ihre Mautstation war inzwischen in die Jahre gekommen und auch die Seilbahn – der Kirchenkarlift. Ein Restaurant kann an einer solchen Stelle nie schaden, und so planten die beiden den großen Wurf, wurden rund 23 Mio. Euro in die Hand genommen und auf 2175 Metern Höhe entstanden eine neue Mautstelle, eine Zehner-Kabinenbahn, ein großzügiges und zugleich gemütliches Restaurant und eben Europas höchstgelegenes Motorradmuseum.

Etwa 200 der ausgestellten 230 Zweiräder gehören den Tiroler Zwillingsbrüdern, der Rest sind Leihgaben, unter anderem aus dem Motorsportmuseum Hockenheim. Dazu kommen 16 legendäre Sportwagen, darunter der Alfa Romeo, der 1936 die Mille Miglia gewann, ein Porsche Speed-ster und ein Lotus 23B von 1964.

Ältestes Motorrad ist eine Laurin & Klement, Baujahr 1905, die allerdings in einem unrestaurierten Zustand ist. Da gibt es auf manchem Oldtimertreffen bessere Exemplare zu bestaunen. Vaclav Laurin & Vaclav Klement sind die Gründer der heutigen Marke Škoda. Gleich nebenan steht der Schwarm eines jeden Motorradfahrers: Eine Megola von 1921, gebaut in München. Sie wird angetrieben von einem 640-ccm-Fünfzylinder-Sternmotor, der in das Vorderrad integriert ist. Eine kühne Konstruktion, bei der man sich immer wieder fragt, wie hier die Zufuhr der Betriebsflüssigkeiten funktioniert hat. Immerhin wurden davon bis 1925 immerhin 2.000 Exemplare gebaut.

Ebenfalls aus München stammt die „Hildebrand + Wolfmüller“, die 1894 das erste in Serie produzierte Motorrad der Welt war. Am Timmelsjoch steht kein Original, sondern „nur“ eine Replikat, doch das tut dem tollen Eindruck dieses geschichtsträchtigen Motorrades keinen Abbruch. Ein Vierfach-Rohrrahmen umschließt den Tank, der 1,5-Liter-Zweizylinder-Tandem-Motor war bereits wassergekühlt.

Ständig entdeckt der Besucher Neues selbst als Kenner der Motorrad-Oldtimerszene.

Wer hat jemals ein Motorrad-Tandem gesehen? Jawohl zwei Sitze hintereinander, der 138-ccm-Motor ist vor dem hinteren Sitz platziert, die Kraftübertragung erfolgt über Riemenantrieb zum Hinterrad. Produziert wurde dieses seltsame Gefährt der Marke Wizzer Motorbike von 1939 bis 1945 durch Breene-Taylor-Engineering in Los Angeles und – man staunt – erneut seit 1998. Gestartet wird das Fahrzeug wohl vom vorderen Fahrer, denn hier gibt es Pedale und eine Kette zum Motor. An seinem Lenker befinden sich auch die Bedienelemente für den Motor, vorne im Rahmen ist auch der Tank platziert.

So ganz genau erschließt sich das nicht, denn zum einen sind die Beschreibungen generell recht sparsam und zudem auf Englisch – der Museumsbetreiber hat Besserung versprochen – zum anderen steht das Tandem relativ weit weg vom Besucher entfernt. Hier zeigt sich ein Nachteil der an sich tollen Architektur des Gebäudekomplexes. Der Bau soll an einen eleganten Skischwung erinnern. Diese Anlehnung an Skipisten bringt überhöhte Randbereiche mit sich, verhindert aber gleichzeitig, sich manchem Motorrad wirklich zu nähern.

Doch man wird ohnehin erschlagen von der Vielzahl der Eindrücke, die mit nur einem Besuch nicht komplett erfasst werden können. Stark vertreten sind amerikanische Motorräder, natürlich einige Harleys und Indians, aber auch eine weiße Henderson mit Beiwagen oder eine Ner-a-car, die eigentlich nach seinem Konstrukteur Carl Nerlinger benannt ist, aber wegen ihrer gigantischen Kotflügel „Near a Car“ also nahe an einem Auto sein sollte.

Ebenfalls exotisch das Brough-Superior-Gespann aus Nottingham. Es hat an der Hinterachse Zwillingsreifen, was sich positiv auf den Fahrtkomfort auswirkte. Deshalb erhielt sie die Zusatzbezeichnung „Rolls Royce der Motorräder“. Am Timmelsjoch ist auch eine Brough zu sehen, die George Brough selbst gefahren haben soll. Weitere prominente Besitzer des englischen Motorrades sind Verhaltensforscher Konrad Lorenz, Erzherzog Wilhelm von Habsburg oder Lawrence von Arabien, der allein sieben Brough sein eigen nannte.

Aber was ist jetzt Flying Merkel genau? Joseph F. Merkel war ein amerikanischer Motorradbauer, der von 1905 bis 1915 in Middletown produzierte. Die ausgestellte Maschine, Baujahr 1911, hat einen Zweizylinder-Viertaktmotor mit 1.000 ccm Hubraum. Sie war für Steilwandfahrten auf Rummelplätzen konzipiert, daher auch ihr Name. Die Flying Merkel erlangte Kultstatus wegen ihres merkwürdig gekrümmten Tanks und auch der sehr ungewöhnlichen Farbe, die den Namen „Merkel gelb“ erhielt.

Obwohl an einer Passstraße mit Wintersperre (Anfang November bis etwa Mai/Juni) gelegen, können Museum und Restaurant das ganze Jahr über besucht werden – von Österreich aus sogar ohne Mautgebühren.

Das Restaurant ist täglich geöffnet.
im Winter
von 9:00 bis 17:00 Uhr

im Sommer
von 8:00 bis 19:30 Uhr

Das Museum ist täglich geöffnet
im Winter
von 9:00 bis 17:00 Uhr

im Sommer
von 9:00 bis 19:00 Uhr
Eintritt: 10 €

weitere Informationen

www.crosspoint.tirol

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