Dresdener Unfallforscher zum Thema Geschwindigkeit und Drängeln


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Scheibenwischer, ausgestreckter Mittelfinger, das berühmte Tippen mit dem Zeigefinger an die Schläfe und dazu noch ein verächtlicher, niederschmetternder Blick zum Gegenüber im Nachbarauto: Es gibt wahrlich genügend Möglichkeiten, unsere Missbilligung im täglichen Mit-(und Gegen-)einander anderen Verkehrsteilnehmern gegenüber auszudrücken.

Einer der Hauptgründe, warum wir unser eigenes Verhalten an den Pedalen und am Lenkrad gerne als positiv und angemessen betrachten, die Fahrweise des Anderen jedoch für ausgesprochen fehl am Platz halten sind entweder zu schnelles Fahren oder zu dichtes Auffahren. Bei beidem »schwillt« unsereinem, wie es umgangssprachlich so schön heißt, gerne mal »der Kamm«.

Warum aber ist das so? Warum fahren Menschen nicht nur gerne Auto? Warum fahren sie oft auch zu schnell und immer öfter auch zu dicht auf den Vordermann auf? Der Verkehrspsychologe Professor Dr. Bernhard Schlag von der Technischen Universität Dresden ist einer der anerkanntesten Experten auf der Suche nach Antworten bei diesen doch sehr differenzierten Fragen. Bei einem Presseseminar des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) plauderte der international renommierte Fachmann dabei aus dem berühmten »Nähkästchen«.

In solchen Fällen geht es nicht nur um den oftmals sehr plakativen Kleinkrieg zwischen zwei motorisierten Verkehrsteilnehmern. Denn leider trifft es bei einem aus einem solchen Fehlverhalten resultierenden Unfall nicht nur die daran beteiligten Fahrzeuginsassen. Eigentlich unbeteiligte Fußgänger bzw. Radfahrer, die ungeschützt auf schnelle und mit zu geringem Abstand hintereinander fahrende Autos treffen, sind dann die Dummen. Oder wenn es schlimmer kommt, die Verletzten oder gar die Getöteten.

Der Dresdener Wissenschaftler lässt bei der Ursachenforschung dafür keine Ausreden gelten. Ob Termindruck, Hetze, Lust am (Geschwindigkeits-)Rausch, nichts nimmt er aus, wenn er behauptet: „In jedem von uns steckt ein aggressiver Fahrer.“ Der Universitäts-Professor gebraucht dabei den Begriff des Territorialverhaltens eines jeden Einzelnen. Eines Verhaltens, so führt Schlag aus, das weit über die Dimensionen des Umgangs mit dem Auto hinausgehe.

Der Raum, den das eigene Ego beansprucht wächst deutlich, je schneller man fährt

Hinzukommt: Wer schnell fährt und auch noch drängele, der wolle damit eigentlich dem Anderen unmissverständlich deutlich machen, dass er damit den ihm zustehenden Raum erobern möchte. In erster Linie seien es die Vielfahrer, die besonders schnell unterwegs seien, weist er mit seinen Zahlen nach. Und da wiederum in erster Linie mehr Männer als Frauen.

Das Ergebnis der empirischen Studien seines Teams sei eindeutig: Schon eine Verringerung der durchschnittlich gefahrenen Geschwindigkeit um gerade einmal fünf Prozent hätte zehn Prozent weniger Unfälle mit Verletzten zur Folge. Schlag geht sogar noch weiter und behauptet: Die Unfallzahlen mit tödlichem Ausgang sänken gar um 20 Prozent. Vielleicht sollten wir alle uns diese Zahlen einmal vor Augen halten, wenn wir wieder einmal in die Versuchung geraten, dem Vordermann in den Kofferraum zu fahren oder das Gaspedal ins Bodenblech zu drücken.

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